Holzminden (my). Entweder man mag diesen Mann – oder eben nicht. Kaum ein anderer polarisiert in unserer Stadt mehr als Ralf Schwager. In der heutigen Ausgabe unserer Reihe „Auf einen Kaffee mit…“ geht es aber nicht um die Vorwürfe, mit denen der Stadtmanager und Kaufmann immer wieder konfrontiert wird. Unsere freie Autorin Melike Yasaroglu hat sich mit ihm getroffen, um den Menschen Ralf Schwager kennenzulernen. Wer ist er, was bewegt ihn, wie redet er und denkt über sich selbst? Hier sind die Antworten.

Eins muss man ihm lassen: der Mann hat Ideen. Für unser Interview lädt er mich in das historische Hafenmeisterhäuschen an der Bleiche ein. Seit ich denken kann, stand das Häuschen leer – jetzt ist es ein kleines, süßes Café. Denn wenn Ralf Schwager eine Vision hat, nimmt sie meistens ziemlich schnell Form an. Auch, wenn er dafür mit dem Kopf durch die Wand muss und auf dem Weg sehr oft aneckt.

Er wollte vieles werden – Sportlehrer, Lokomotivführer, Offizier, Bäcker – und ist dann doch in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Davor machte er zuerst, gegen seinen Willen, eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann in Hamburg. „Zur Berufsschule bin ich nie gerne gegangen. Die Mädels in Hamburg waren so hübsch und man konnte so gut an der Innenalster liegen“, erinnert er sich schmunzelnd. Seine Lehre schloss er dennoch mit Auszeichnung ab und arbeitete später beim Waren- und Kaufhaus Hertie. Dort war er für den Im- und Export verantwortlich und bereiste 52 Länder rund um die ganze Welt. 1974 fand er den Weg zurück nach Holzminden.

Lange Jahre arbeitete er im Kaufhaus an der Seite seines Vaters. Und erzählt ganz offen, wie er sich seinen Platz erkämpfen musste. „Ich habe meinen Vater immer geliebt und er war ein Vorbild für mich“, erklärt Ralf Schwager. Aber als junger, energischer Mann investierte Schwager zum Beispiel auch in Projekte, die sein Vater nicht gern sah – manchmal sogar gegen seinen Willen. Es klingt, als hätten die beiden nie ein einfaches Verhältnis gehabt. „Aber meinen Vater beim Sterben sehen zu müssen, war für mich die schlimmste Zeit“, so der Kaufmann, denn sein Vater litt zwei Jahre lang, bevor er seinen Frieden fand. Und auch über seinen eigenen Tod spricht Ralf Schwager: „Ich möchte mit 90 einfach im Kaufhaus zusammenklappen und tot sein!“

Aber heute scheint seine Energie noch immer unerschöpflich. Obwohl er 75 Jahre alt ist, arbeitet er jeden Tag in der Woche. „Ich würde nie ein Burn-Out bekommen“, meint er und bezeichnet sich selbst als „Workaholic positiver Art“. Arbeiten hält diesen Mann offensichtlich fit, denn er geht nie zum Arzt. Seit er im Berufsleben ist, war Ralf Schwager nur einen einzigen Tag so krank, dass er nicht arbeiten konnte: Beim Laufen rutschte er auf einer Eisplatte aus und brach sich die Hand. Das war vor rund 20 Jahren.

Er redet schnell, als würde er permanent unter Strom stehen, ist dabei aber immer freundlich. Impulsiv und ungeduldig zu sein sei seine schlechteste Eigenschaft, sagt der 75-Jährige über sich selbst. Würde er manchmal ein wenig langsamer vorangehen, könnten sich seine Projekte vielleicht besser entwickeln. In unserem Gespräch erzählt er sogar offen und ehrlich von seinen Fehlern. Als Beispiel gibt er die Markthalle an, die er Anfang dieses Jahres ins Gespräch gebracht hat. Es klingt fast, als würde er bereuen, sein Vorhaben nicht ein wenig ruhiger und diplomatischer angegangen zu sein. Und seine guten Eigenschaften? „Ich bin diszipliniert“, antwortet er.

Doch woher schöpft er seine Kraft? Wenn er abends Zuhause ankommt, geht er zuerst eine Runde mit Hündin Donna. Das ist sein Ritual, um den Feierabend einzuläuten. Außerdem geht er zweimal in der Woche laufen. Aber das Wichtigste ist wohl seine Ehefrau Roswitha. Ralf Schwager mit einem warmen Lächeln auf den Lippen, wie er ihr auf einer Geschäftsreise zum ersten Mal begegnete. Das war auf dem Flughafen von Seoul in Südkorea. Heute sagt er: „Ich wüsste gar nicht, wie ich mein Leben ohne meine Frau gestalten soll“.

Im September dieses Jahres feiern die beiden ihren 40. Hochzeitstag und „ich würde sie wieder heiraten“, fügt er hinzu. Kinder hat das Paar nicht, obwohl sie sich welche gewünscht haben. „Es hat einfach nicht geklappt und wir haben sogar über eine Adoption nachgedacht“, erzählt er. Seine Ehefrau hält ihm den Rücken frei, umsorgt ihn und schafft ihm Zuhause eine Art Oase, in der er sich von seinem stressigen Arbeitstag erholen kann. Aber auch im Hause Schwager gibt es mal Ärger: Zum Beispiel, wenn er seiner Ehefrau nicht Bescheid gegeben hat, dass er am Abend später nach Hause kommen wird. Eine Lebensweisheit verfolgt der 75-Jährige aber immer: das Paar geht nie zerstritten ins Bett. „Und keine andere hätte es so lange mit mir ausgehalten“, lacht er zum Schluss.

Zeit für Menschen und ihre Geschichten – das ist unsere neue Reihe „Auf einen Kaffee mit…“, die jeden zweiten Sonntag erscheint. Unsere freie Autorin Melike Yasaroglu trifft interessante Personen aus Holzminden und blickt für Sie hinter die Fassade. An wem sind Sie besonders interessiert? Ihre Vorschläge können Sie uns gerne mailen an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Die nächste Folge unserer Reihe lesen Sie am 25. Juni 2017.