Holzminden (my). Sie rücken zu jeder Tageszeit für uns aus und sind da, wenn wir sie brauchen. Dafür stehen in unserer Stadt 220 Feuerwehrleute bereit, von denen aber nur ein einziger hauptberuflich ist. Die 219 verbleibenden engagieren sich ehrenamtlich und opfern ihre Freizeit; neben ihren Jobs, Familien und Hobbies. Unsere heutige Ausgabe widmen wir einem Ehrenamt, das in unserer Gesellschaft viel mehr Anerkennung verdient. Deshalb hat unsere freie Autorin Melike Yasaroglu den Stadtbrandmeister auf einen Kaffee besucht.

Manchmal tauchen die Bilder noch heute auf, wenn er die kurvigen Straßen durch den Solling nach Neuhaus fährt und an der Unfallstelle vorbeikommt. Es passierte an einem Freitagnachmittag, Manfred Stahlmann war noch ein junger Feuerwehrmann. Nie wird er vergessen, wie er ein kleines Kind aus einem Auto bergen musste – tot. Er redet einfach weiter und erzählt von einem anderen Unfall, am Sylbecker Berg in Holzminden. Auch hier konnte er für die Beteiligten nichts mehr tun: „Es gibt Situationen, in denen kommt man eben zu spät. Man hat es versucht – und mehr kann man nicht machen.“ Die letzten Worte betont er besonders und auf seinem Gesicht steht geschrieben, wie schwer es ihm fällt.

Versicherungskaufmann. Aber wenn sein Feuerwehr-Pieper losgeht, verlässt er auch Beratungsgespräche mit seinen Kunden. Mitten in der Nacht, unter der Dusche, jederzeit kann er zu einem der rund 300 Einsätze im Jahr gerufen werden. Vor allem bei größeren Lagen, wie etwa Wohnhausbränden und schweren Verkehrsunfällen, muss er direkt vor Ort sein – innerhalb von sieben Minuten, das ist die Vorgabe.

Mit gerade einmal 12 Jahren trat er in die Jugendfeuerwehr ein, arbeitete sich über die Jahre hoch und ist nun im fünften Jahr Stadtbrandmeister. Diese Aufgabe vergleicht er mit einem Halbtagsjob, in dem er ein mittelständisches Unternehmen mit rund 220 Angestellten – in diesem Fall Feuerwehrleute – führen muss. Nicht nur die Einsätze, sondern auch Verwaltungsarbeiten gehören zu seinen Aufgaben. Das Material pflegen, prüfen, Dienstpläne erstellen. Hinzu kommt „Präsenz zeigen“, so nennt Manfred Stahlmann es.

Dafür nimmt er manchmal an Ratssitzungen teil, trifft sich mit Holzmindens Bürgermeister Jürgen Daul oder muss andere repräsentative Termine wahrnehmen. Oft dauern sie bis in die Abendstunden; danach geht er noch in sein Büro und arbeitet bis Mitternacht für seinen eigentlichen Beruf des Versicherungskaufmanns. „Das ist sehr schwer und ja, es ist auch mal belastend“, gibt er zu. Was treibt ihn dann an, dieses Ehrenamt weiter auszuüben? 

Der 55-Jährige muss nicht lange überlegen: „Ich bin gesund, habe Arbeit und eine Familie. Auf diesem Wege möchte ich etwas zurückgeben“, erklärt er. Über die Jahre haben sich enge Freundschaften entwickelt und er fühlt sich in dieser Gemeinschaft sichtlich wohl. Fast stolz erzählt er von aktiven, engagierten Holzmindener Feuerwehrleuten, die sich gerne freiwillig einsetzen, „zum Wohle unserer Stadt“, fügt Manfred Stahlmann hinzu, „und das will ich weiter unterstützen. Es lohnt sich einfach, denn es gibt Dinge im Leben, die können wir nicht kaufen.“

Seit einigen Wochen wirbt die Kreisfeuerwehr Holzminden um Nachwuchs. Unter dem #machmit! sollen junge Menschen für die Vereinsarbeit mobilisiert werden. Wer sich informieren oder beitreten möchte, findet hier mehr. Wir nehmen uns Zeit für Gespräche – mit besonderen Menschen oder Akteuren, die sich für unsere Stadt einsetzen. Aber auch interessante Jobs oder außergewöhnliche Hobbies finden hier Platz. Die nächste Folge unserer Reihe „Auf einen Kaffee mit…“ lesen Sie am Sonntag, 15. Oktober 2017.

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