Kreis Holzminden (kp). Es ist das Aufregerthema im Kreis Holzminden: Die „katastrophale“ Schülerbeförderung und die „unhaltbaren Zustände“, denen Schülerinnen und Schüler seit Beginn des neuen Schuljahres ausgesetzt sind . Eltern, Lehrer und Elternvertreter berichten seit Tagen von derart massiven Problemen, dass das Thema Schülerbeförderung und -verkehr nun sogar per Dringlichkeitsantrag seinen Weg in die gestrige Kreistagssitzung gefunden hat.

„Es gibt nicht mehr zählbare Beschwerden, eine schnellstmögliche, zeitnahe Lösung ist dringend erforderlich“, heißt es im Antrag der Gruppe SPD/FDP/Grüne. Und auch die CDU-Fraktion weist in ihrem Antrag auf die „prekäre Situation des Schülerverkehrs im Landkreis Holzminden“ hin, die in der Umstellung der Fahrpläne zum 1. August 2022 begründet sei. In ihrem Antrag fordert die CDU die Einberufung eines Runden Tischs unter Einbeziehung der Eltern, Schulen, ZVSN, Busunternehmen, Kreisverwaltung und Kreispolitikern.

Zudem war aufgefordert worden, dass der Verkehrsverbund zur aktuellen Situation in der Kreistagssitzung Stellung nehmen sollte. Tatsächlich waren auch Vertreter des ZVSN und des Busunternehmens RBB erschienen, um den Elternvertretern und Kreistagsfraktionen Rede und Antwort zu stehen.

ZVSN: Überarbeitete Fahrpläne wohl erst in den Herbstferien

Bevor Verkehrsverbund und RBB über die aktuelle Situation des Schülerverkehrs Stellung nahmen, war es Besuchern vorbehalten, einen Überblick über die „chaotischen“ Zustände der vergangenen Tage zu berichten. Als Claudia Kroll und Frank Rössel vom Kreiselternrat vor das Rednerpult traten, sprachen sie von fast 400 Beschwerden, die sie seit der letzten Woche per Mail erreicht hatten. Ähnlich viele Beschwerden hätte zudem die Kreisverwaltung vorliegen.

„Wer hat diesen Fahrplan nur abgesegnet?“, fragten sie vorwurfsvoll in die große Runde. Buslinien wurden gestrichen, einige Haltestellen in Schulnähe nicht mehr angesteuert. Dann wiederum haben Linien wie die von Bodenwerder nach Holzminden gut 40 Haltestellen. Einzelne Strecken würden demnach mittlerweile auf bis zu 80 Minuten ausgedehnt. „Dieser Fahrplan muss schnellstmöglich überarbeitet werden, damit die Kinder wieder anständig befördert werden“, sagt Frank Rössel. Parteibücher sollten in den Schubladen bleiben und es sollten sich alle an einen Tisch setzen, so der Appell an den Kreistag.

„Alles, was bereits vorgetragen wurde ist richtig, das darf so nicht sein“, resümiert Carl-Michael Wieder, stellvertretender Geschäftsführer Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen. Nun könne er keine Einzeldiskussionen führen, warum „Bus XY“ fünf oder zehn Minuten zu spät komme, aber versprechen könne er, dass Lösungen gefunden werden. Einige seien bereits kurzfristig gefunden worden. So habe für den Schülertransport von Eschershausen nach Dassel bereits ein Verstärkerbus eingesetzt werden können. Doch ein neuer Fahrplan müsse sorgfältig ausgearbeitet werden. „Das wird nicht in der nächsten Woche geschehen, einen Fahrplanwechsel wird es erst zum Herbst geben“, stellt der stellvertretende Verbandsgeschäftsführer in Aussicht.

Personalmangel, Kommunikationsfehler und schwierige Verkehrssituation

Sowohl auf Seiten des Verkehrsverbundes als auch beim Busunternehmen RBB war man bereit, Fehler einzugestehen. „Wir müssen uns dem Vorwurf annehmen, die Fahrbarkeit der Strecken nicht richtig geprüft zu haben“, gesteht RBB-Niederlassungsleiter Alexander Siems. Dass die Fahrbarkeit nicht so akribisch geprüft wurde, sieht auch Carl-Michael Wieder ein. „Diese Situation tut uns leid“, sagt er und spricht von einem „Deja vu“. Ähnliche Probleme hätte es 2016 nach der Betriebsaufnahme in Northeim auch schon gegeben. „Ich bin aber zuversichtlich, dass wir zusammen mit dem RBB und dem Landkreis die Probleme hier vor Ort hinbekommen“, fügt er hinzu.

Derzeit würden sich aber vor allem auch andere Probleme negativ auf die Fahrtstrecken ausüben. „Die Baustellen in Negenborn, Stadtoldendorf und die Sperrung der Weserbrücke zerschießen die Fahrpläne“, so Wieder. Eine akuter Personalmangel setze hingegen der RBB zu. Derzeit gebe es viele Kündigungen und Krankmeldungen. „Allein heute haben sich kurzfristig fünf neue Erkrankte gemeldet“, so Niederlassungsleiter Siems. In solchen Fällen versuche die Leitstelle alles, um so schnell wie möglich einen Ersatzfahrer in der Nacht rauszuklingeln. Doch der Personalnotstand sei zurzeit sehr akut.

Auch der Vorwurf, das Unternehmen verfüge über unerfahrene Fahrer, die sich in der Gegend nicht auskennen, wies er zurück. „Einen solchen Fahrplanwechsel hat es in Holzminden so noch nicht gegeben“, sagt Alexander Siems. Die Fahrer seien sehr wohl erfahren, jedoch würde in Holzminden das erste Mal überwiegend mit großen Gelenkbussen gefahren. Alle Beteiligten müssten nun in Ruhe und mit Bedacht die neuen Fahrpläne gestalten. „Das geht auch an unseren Busfahrern nicht spurlos vorbei, sie haben auch einen Berufsstolz“, fügt Siems hinzu.

„Ampel lässt das bis Herbst so nicht laufen!“

„Eltern brauchen Verlässlichkeit“, appelliert die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Tippelt. Sie lasse es nicht im Raum stehen, dass Schüler bei erhöhtem Krankheitsaufkommen der Fahrer nicht befördert werden können. „Der Schülertransport muss auch in solchen Fällen sichergestellt werden“, sagt sie. Man habe sich gewünscht, dass der ZVSN schon viel früher tätig geworden wäre, als vor Wochen bereits die erste Mail an den Zweckverband adressiert wurde. „Warum haben Sie nicht bereits nach den ersten Beschwerden gehandelt?“, fragt sie. Sie erwarte Lösungen, da könne es nicht heißen, dass es erst im Herbst einen neuen Fahrplan geben wird. Es gebe bereits Eltern, die einen Anwalt eingeschaltet haben. „Die Ampel lässt das bis zum Herbst so nicht laufen“, verspricht Sabine Tippelt.

Sehenden Auges sei man in diese Situation hineingeschlittert, sagt Uwe Schünemann. Weit vor den Sommerferien habe die CDU-Fraktion darauf hingewiesen, dass es mit der Umstellung durch eine neue Vergabe und neuen Fahrplänen an allen Schulen im Kreis Probleme geben könnte. „Die Verwaltung hat jedoch keinen Bedarf von anderen Schulen gesehen“, sagt Uwe Schünemann. Dabei habe vor allem der „Runde Tisch Campe“ gezeigt, dass wenn alle Parteien zusammensitzen auch schnell Lösungen gefunden werden können.

„Wir müssen möglichst noch in dieser Woche einen Runden Tisch zum Thema Schülerbeförderung mit Eltern, ZVSN, RBB, Schulen, Kreisverwaltung und Kreistagsmitgliedern einberufen“, appelliert Schünemann. Diese Art sei in Hameln gängige Praxis und würde für schnelle Kommunikation und Verbesserungen sorgen. Und die Zeit sei reif für schnelle Lösung, vor allem auch mit Blick auf eine Erweiterung des Fahrangebots. Die Politik müsse nun schnell handeln, wenn es um die Beförderung von Schülern geht. „Deshalb hoffe ich auf einen einstimmigen Beschluss für einen Runden Tisch“, so Schünemann.

Schnelles Handeln von ZVSN und RBB gefordert

Schnell gelte es nun zu handeln, sagt Dezernent Ralf Buberti. Er spreche sich zwar nicht gegen einen Runden Tisch aus, doch der „Brand“ Schülerbeförderung müsse schnellstmöglich gelöscht werden. Und die Aufgabe liegt beim ZVSN und der RBB. So sieht es auch Hermann Grupe: „Die Verantwortung haben ZVSN und RBB, ein Runder Tisch dürfe da keine Alibi-Veranstaltung werden.“ Nicht der Landkreis, sondern der ZVSN hat die europaweite Ausschreibung samt anschließender Vergabe an die RBB gemacht. Diese sei in ihren Auftrag offenbar hineingestolpert. „Wenn ich einen solchen Auftrag übernehme, dann habe ich auch dafür zu sorgen, dass er funktioniert“, so Grupe. Schließlich fand der Dringlichkeitsantrag zur Einberufung eines Runden Tischs mit 18 zu 15 Nein-Stimmen nicht die erhoffte Mehrheit der CDU-Kreistagsfraktion. Wie es nun kurzfristig weitergehen soll, wenn nicht bis zur Fahrplanänderung im Herbst gewartet werden will, blieb dennoch erstmal im Unklaren. Der Appell jedoch ist klar: Gehandelt werden soll jetzt schnell - und zwar vom Verkehrsverbund und der Regionalbus Braunschweig GmbH.