Holzminden (red). Am 6. Mai wird der MTV von 1849 Holzminden e.V. 175 Jahre alt. Für Sportvereine ist das ein ausgesprochen seltenes Jubiläum. Nach Aufhebung des Vereinsverbotes, der sogenannten Turnsperre ist der Verein in der zweiten kurzen Blütezeit der Turnbewegung, die von Mitte der 1840er Jahre bis 1849 reichte, gegründet worden. In diesem Zeitfenster um die 1848er-Revolution herum schossen Turnvereine wie Pilze aus dem Boden. Getragen wurde die Vereinsgründung vom Idealismus und Freiheitsstreben der Turnbewegung in einer aufgewühlten Zeit liberaler und bürgerlicher Reform- und Aufbruchstimmung. Die Vereinshistorie ist ein Spiegel deutscher Gesellschaftsgeschichte. Vom Honoratiorenverein zum Massenverein, vom klassischen Turnverein zu einem freizeitorientierten Sportverein und von der Männerturnriege zu einem gemischten Mehrspartensportverein moderner Prägung war es ein langer Weg, gezeichnet von politischen Umbrüchen und oft widrigen Zeitumständen, die die Existenz des Vereins mehr als einmal infrage stellten. Heute ist der MTV 49 Holzminden der älteste, traditionsreichste und mit mehr als 1400 Mitgliedern auch der mitgliederstärkste Sportverein im Landkreis Holzminden.

Der MTV 49 Holzminden könnte keinen 175-jährigen Geburtstag feiern, hätten nicht immer wieder tatkräftige Vereinsvorstände mutige und weitreichende Entscheidungen getroffen, die den Fortbestand des Vereins sicherten und neue Entwicklungen aufnahmen. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit (1895-1920) gründete der Vorsitzende Friedrich Jahn im Jahr 1895 die Frauenturnabteilung im MTV 49 – die erste „Damenturnriege“ in Norddeutschland hatte sich kurz zuvor 1892 in Bremen gebildet. Um die Jahrhundertwende hatte der Verein 20 weibliche und 160 männliche Mitglieder. Die Frauenabteilung nahm in den 20er Jahren - inzwischen waren auch Mädchen zugelassen – einen starken Aufschwung. 1934 gab es 90 weibliche und 230 männliche Mitglieder im MTV 49. Es dauerte noch bis 1967, dann war mit je 345 Mitgliedern die Geschlechterparität hergestellt.

Eine großzügige Spende ermöglichte es dem Verein 1903 in der Ära Jahn das Gelände an der Sohnreystraße von der Stadt zu kaufen, um hier einen Turnplatz zu errichten. Für 100 Jahre bis zur Aussiedlung des Vereins an die Liebigstraße war der Platz Heimstätte des MTV 49. Zunächst aber wurde ein Tennisplatz gebaut und auf dem Vereinsgelände noch vor dem 1. Weltkrieg Tennis gespielt. Im Jahr 1928 ist die vereinseigene Tennisabteilung zu einem selbständigen Verein ausgegründet, ein zweiter Tennisplatz angelegt und an den neuen Verein verpachtet worden.

1931 konnte das neue Turnerheim eingeweiht werden. 1953 sind das Turnerheim und der Turnplatz instandgesetzt und später mehrfach umgebaut, erweitert und saniert worden, teilweise auch angetrieben von den Bedürfnissen weiterer Sportarten. Damit waren die Entwicklungsmöglichkeiten an diesem Ort erschöpft. In den frühen 1960er Jahren scheiterte ein dritter Anlauf in der Vereinsgeschichte, eine eigene Sporthalle zu bauen, an nicht ausreichenden finanziellen Mitteln. Lange zuvor gab es in den 1860er Jahren einen ersten zaghaften Versuch, eine „Winterturnanstalt“ zu errichten. Ein zweiter in der Ära Jahn gestarteter Versuch endete jäh im Jahr 1923: Der schon beträchtlich angesparte Turnhallenbaufonds fiel der Inflation zum Opfer. Der vierte Anlauf war dann von Erfolg gekrönt und ist dem damaligen Vorsitzenden und heutigen Ehrenvorsitzenden Georg Reuker zu verdanken, in dessen Amtszeit (1995-2006) der Vorstand die Entscheidung zu einem Sporthallenneubau traf und die Umsetzung energisch vorantrieb. Die beengte Situation an der Sohnreystraße und immer neue Hallensportarten ließen das Thema Ende der 90er Jahre erneut virulent werden. Die Planung wurde nach den Feierlichkeiten zum 150-jährigen Vereinsjubiläum forciert. Die Finanzierung des Hallenbaus erfolgte fast vollständig aus Eigen- und selbst finanzierten Mitteln des Vereins. Trotz einiger Rückschläge in der Realisierungsphase erfolgte die Grundsteinlegung 2004. Schon im Frühjahr 2005 konnte die neue Sporthalle an der Liebigstraße genutzt werden. Der MTV 49 verfügt seitdem über eine eigene Sporthalle mit einem Mehrzweckraum und einem Kraftraum sowie einer Geschäftsstelle. Später sind durch bauliche Änderungen im Innenbereich auf der Empore und im Außenbereich durch Errichtung der Beachvolleyballanlage zusätzliche Sportflächen geschaffen worden. Heute lässt sich feststellen, dass sich die vereinseigene Sportanlage mit ihrer räumlichen Nähe zu weiteren städtischen Sportstätten zu einem sportlichen und geselligen Zentrum des Vereinslebens entwickelt hat.

Schon in den 1920er Jahren wurde im Verein nicht mehr nur geturnt und Tennis gespielt. Es gab den Schwimmsport, Leichtathletik spielte bereits zunehmend eine Rolle und die 1924 gegründete Handballabteilung expandierte. Die Abteilung besteht noch heute und begeht in diesem Jahr ihr eigenes 100-jähriges Jubiläum. 1950 erfolgte der Austritt aus dem von der Alliierten Militärregierung 1945 zugelassenen Turn- und Sportverein von 1849 e.V. Holzminden (TuSpo). Die alten MTV 49-Mitglieder trennten sich von der überschuldeten Fußball- und Boxabteilung und erwarben in diesem Zuge ihr Vereinsgelände zurück. In die Amtszeit des Vorsitzenden Walter Höltje (1967-1981) fällt eine weitere für die Zukunft des Vereins anfänglich sehr kontroverse, aber wegweisende Entscheidung. Mit einer neuen Satzung im Jahr 1972 hat sich der MTV 49 eine bedarfsgerechte Vereinsstruktur gegeben und so selbständige wie eigenverantwortliche Abteilungen - mit Abteilungsvorständen und -budgets geschaffen. Das war eine, wie sich herausstellte weitsichtige Antwort auf die sich entwickelnde pluralistische und freizeitorientierte Gesellschaft. Sie ermöglichte neue Impulse innerhalb des Vereins, erhöhte die organisatorische Leistungsfähigkeit, indem die Öffnung für immer neue, auch Trendsportarten erleichtert wurde und erschloss neue Zielgruppen. In der Folge hat sich der MTV 49 schnell zu einem Mehrspartenverein entwickelt. 1974 wurde die Grenze von 1000 Mitgliedern überschritten.

Das Sportangebot hat sich bis heute - auch innerhalb der Abteilungen - weiter aufgefächert und reicht in derzeit 15 Abteilungen von Turnen und Gymnastik in jeder Form und Altersgruppe nebst Rehagruppen über Leichtathletik, Volleyball, Handball, Tischtennis, Faustball, Fußballtennis, Budo/Karate, Badminton bis hin zu Sportkegeln und Tanzen für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, Ski, Walking und Wandern. Breitensport und Leistungssport haben gleichermaßen ihren Platz im Sportangebot des Vereins. Während einerseits die Bereiche wettkampforientierten Sports im MTV 49 über die Zeit schmaler geworden sind, fallen andererseits die größten sportlichen Erfolge in die jüngste Vergangenheit. Waren es früher die Handballer und die Turner, die aufhorchen ließen, so stehen seit über vier Jahrzehnten die Leichtathleten im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Die eindrucksvolle Bilanz beinhaltet aktuell 69 Deutsche, 72 Norddeutsche und über 370 Landesmeistertitel und reicht auf internationaler Ebene bis zu der Teilnahme von Annika Roloff an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Insbesondere die Stabhochsprungerfolge sind ein Aushängeschild, das den MTV 49 und die Stadt Holzminden weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen.

Aus diesem Anlass findet am Samstag, 4. Mai, ab 12 Uhr in der Stadthalle Holzminden ein Festakt statt, zu dem Mitglieder, Freundinnen und Freunde des Vereins herzlich eingeladen sind.

Fotos: MTV 49