Landkreis Hiolzminden (red). „Die Situation ist jetzt auch bei uns sehr ernst, wenn die Fallzahlen nicht sinken, werden wir die Kontrolle verlieren!“ Die Leiterin des Gesundheitsamtes im Landkreis Holzminden, Dr. Ursula Schaper, nimmt kein Blatt mehr vor den Mund. Das Überschreiten des 7-Tages-Inzidenzwertes auf über 100 pro 100.000 Einwohner sei keine kurzfristige Angelegenheit und habe für Eindämmung des Infektionsgeschehens auf Dauer Folgen. „Wir kommen trotz personeller Aufstockung mit Nachverfolgungen, Tests und Quarantäneanordnungen immer schwerer hinterher“, erklärt sie. Wenn jetzt Kontakte nicht auf das wirklich Notwendigste beschränkt würden, drohe ein angeordneter strenger Lockdown für den Landkreis noch vor Weihnachten.
Neuerkrankungen passieren derzeit zu einem nicht unerheblichen Teil in unterschiedlichen Gemeinschaftseinrichtungen wie Seniorenheimen, Kitas oder Schulen, aber auch in Verwaltungen sowie großen Familien. „Betroffene haben in der Regel dann weitere Kontakte zu anderen Einrichtungen, nehmen an Sitzungen, Besprechungen oder Feiern teil und infizieren weitere Personen“, analysiert Schaper die momentane Entwicklung. Was das für das Infektionsgeschehen in der nächsten Zeit bedeutet, rechnet die Erste Kreisrätin Sarah Humburg vor: „Der gegenwärtige R-Wert für das Virus liegt etwa bei 1, was bedeutet, dass jede infizierte Person eine weitere ansteckt. Wenn wir 50 Infizierte haben“, so Humburg weiter, „infizieren die also nur 50 Menschen, bei 100 Infizierten aber eben die doppelte Anzahl an Personen.“ Das, da sind sich Humburg und Schaper einig, sei mit immer weiter steigenden Zahlen irgendwann kaum noch zu stoppen. Eine Senkung der Infektionszahlen sei dann nur noch mit ganz harten Maßnahmen denkbar, so wie in Sachsen jetzt schon geschehen.
Und auch die Tatsache, dass die Lage auf der Intensivstation des Holzmindener Krankenhauses in Sachen Corona noch entspannt scheint, tauge kaum dazu, ein beruhigendes Gefühl zu vermitteln. Denn schon im gerade einmal 80 Kilometer entfernten Kreis Gütersloh sind die Krankenhäuser am den Rand ihrer Kapazitäten. Die Folge davon könnte eine Verlagerung in weiter entfernte Krankenhäuser bedeuten, die auch hier die Lage eng werden lassen könnte „Für uns stellt sich jetzt die Frage, was jeder Einzelne tun kann, um weder sich noch andere zu infizieren“, stellt Landrat Michael Schünemann klar. Die strikte Einhaltung von Hygieneregeln wie dem Tragen eines Mund-Nasenschutzes und Abstandhaltens sei schon einmal ein wichtiger Anfang. Er selbst habe aus seiner eigenen Infektion gelernt, noch vorsichtiger zu sein. „Klar ist für mich, dass wir alle Fehler machen“, ergänzt der Landrat, „aber wenn wir alle aufeinander aufpassen und in entsprechenden Situationen auf eventuelle Mängel hinweisen, nehmen wir Rücksicht auf andere und schützen uns selbst.“ Das gelte übrigens auch für Personen wie ihn, die schon eine Infektion durchgemacht hätten, weil ja immer noch nicht sicher sei, wie lange eine Immunität anhalte.
Die Leiterin des Gesundheitsamtes erinnert in diesem Zusammenhang aber noch einmal an eine weitere wichtige Regel, die von entscheidender Bedeutung für die Eindämmung des Virus sei. „Jede Person sollte Kontakte zu anderen Personen, die nicht dem eigenen Hausstand angehören, auf ein absolut nötiges Minimum reduzieren“, sagt Dr. Ursula Schaper. Das sei nicht nur eine Empfehlung, sondern stehe als Handlungsanweisung in der Niedersächsischen Verordnung zur Pandemie gleich an erster Stelle. Für sie erledige sich damit auch jede Debatte darüber, ob Veranstaltungen – ob draußen oder drinnen - noch irgendwo stattfinden können oder nicht. Und der Landrat warnt: „Wenn wir jetzt nicht konsequent handeln, wird der gesundheitliche und der wirtschaftliche Schaden für uns alle noch erheblich höher ausfallen als er derzeit schon ist!“