Hannover (red). In Niedersachsen begann am 17. August das neue Schuljahr 2023/2024. Am Sonnabend werden rund 82.000 Kinder eingeschult. Und das bedeutet, dass viele von ihnen in den kommenden Tagen und Wochen das erste Mal ohne Erwachsene im Straßenverkehr unterwegs sein werden. Um alle Verkehrsteilnehmenden für diese besondere Situation zu sensibilisieren, in den kommenden Wochen besonders gut aufzupassen und Rücksicht zu nehmen, veranstaltet das Land seit mehr als 20 Jahren die Aktion „Kleine Füße – sicherer Schulweg“.
Neben den Kooperationspartnern ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt e.V., Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V., Niedersächsische Gemeinde-Unfallversicherungsverbände sowie Landeselternrat entwickeln das Niedersächsische Kultusministerium, das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung sowie das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport kontinuierlich neue Ideen und Maßnahmen für einen sicheren Schulweg zu Fuß und stellen diese gemeinsam in einer jährlichen Auftaktveranstaltung zum neuen Schuljahr vor.
In diesem Jahr eröffnete Kultusministerin Julia Willie Hamburg die Auftaktveranstaltung in der Otfried-Preußler-Schule in Hannover. Die Grundschule erhielt für ihre beeindruckende Inklusionsarbeit 2020 den Deutschen Schulpreis und nimmt zudem am Modellprojekt Zukunftsschule des Niedersächsischen Kultusministeriums teil. An der inklusiven, barrierefreien Grundschule spielt auch Mobilitätsbildung eine wichtige Rolle. Denn Inklusion beginnt nicht erst im Klassenraum, sondern bereits auf dem Weg zur Schule: Treppen und Bürgersteige können große Hindernisse darstellen, „Elterntaxis“ daher insbesondere auch inklusiv beschulte Kinder gefährden.
„Die Schulanfangsaktion setzt ein wichtiges Zeichen für die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr“, unterstreicht Kultusministerin Julia Willie Hamburg. „Wir rufen daher alle Verkehrsteilnehmenden auf, Rücksicht zu nehmen und umsichtig zu handeln. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, Kindern den Schulweg zu erleichtern. Auch sollte sich jeder die Frage stellen, ob die Fahrt mit dem Auto immer so notwendig ist. Oder ob es den Kindern nicht viel mehr Spaß macht, gemeinsam mit Freundinnen und Freunden zur Schule zu gehen. Außerdem ist jeder Schulweg, der zu Fuß zurückgelegt wird, nicht nur gesünder für die Kinder, er sorgt zudem dafür, dass es vor Schulen nicht zu Staus und Unfällen mit den sogenannten Elterntaxis kommt. Daher möchte ich mich für die Umsetzung der heutigen Aktion ganz herzlich bei allen Beteiligten bedanken. Ihr Engagement zeigt, wie wichtig Kooperationen dieser Art zum Wohl unserer Kinder sind.“
„Mit unserer Verkehrssicherheitsarbeit stehen wir dafür ein, dass Schulkinder ihren Schulweg sicher absolvieren können, lernen, welche Gefahren dort lauern, wie sie richtig reagieren und wie sie gemeinsam mit ihren Eltern für die nötige Routine trainieren können“, so Felix Kaufmann, Abteilungsleiter Verkehr, Technik & Umwelt ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt e.V. „Laut einer aktuellen ADAC-Umfrage sehen übrigens sowohl Eltern als auch Kinder die größte Gefahr im Fehlverhalten anderer – also sind Autofahrende und alle anderen Verkehrsteilnehmenden gefragt, besondere Rücksicht auf die Schulkinder zu nehmen.“
Für mehr Sicherheit sorgen ebenfalls die vielen Schülerinnen und Schüler, die gegenwärtig als Schulweglotsinnen und Schulweglotsen unterwegs sind. Sowohl vor Schulbeginn als auch nach Schulschluss sichern sie gefährliche Stellen und helfen Kindern über die Straße. Unterstützung erhalten sie dabei von Erziehungsberechtigten und Senioren. Schulweglotsinnen und Schulweglotsen werden von der Landesverkehrswacht kostenfrei ausgebildet, ihre Ausrüstung wird gestellt. Weitere Informationen gibt es hier.
Nicolai Engel, Geschäftsführer der Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V., betont: „Wir appellieren an alle Eltern, gerade in diesen Zeiten ihre Kinder nicht mit dem Auto zur Schule zu fahren. Insgesamt helfen fast 4.000 Schüler- und Elternlotsinnen und -lotsen in Niedersachsen ehrenamtlich bei jedem Wetter und bereits am frühen Schulmorgen den Kindern beim sicheren Überqueren der Fahrbahn oder begleiten sie im Bus zur Schule. Obwohl die Zahl sehr hoch ist, fehlen immer noch an vielen Schulen Lotsinnen und Lotsen, die insbesondere die Neulinge im Straßenverkehr beim Überqueren der Fahrbahn unterstützen. Wir wünschen uns, dass an jeder Grundschule Lotsinnen und Lotsen aktiv werden und freuen uns über jeden neu eingerichteten Lotsendienst. Wir unterstützen Initiativen vor Ort gern mit Wissen, Ausrüstung und Versicherung.“
Ein Beispiel, wie Eltern und ihren Kindern Freude am Verzicht auf das Auto vermittelt werden kann, stammt von der Otfried-Preußler-Schule. In Kooperation mit dem Turn-Klubb zu Hannover (TKH) ist dort ein sogenannter WalkingBus entstanden. Hierbei geht eine Gruppe Kinder gemeinsam zur Schule und wird von einem oder mehreren Erwachsenen begleitet. Dabei gibt es eine festgelegte Strecke zur Schule, die als „Buslinie“ fungiert. Den Weg säumen fest vereinbarte Treffpunkte als „Haltestellen“, an denen jeweils weitere Kinder aufgenommen werden. Wenn sich die Gruppe sicher genug fühlt, fällt die Begleitung weg.
Der Niedersächsische Turnerbund e.V. (NTB) wird künftig in Zusammenarbeit und mit Förderung der AOK Niedersachsen den WalkingBus an Grundschulen unterstützen. Bereits 28 Grundschulen haben sich gemeldet, um gemeinsam mit ortsansässigen Vereinen und ehrenamtlich Engagierten einen WalkingBus für den Schulweg zu organisieren. Interessierte Grundschulen können sich dazu auf dem Niedersächsischen Bildungsportal anmelden.
„Unsere Turn- und Sportvereine sind ein wichtiger Bestandteil für die Bewegung und die Gesundheit der Kommune“, kommentiert Heiner Bartling, Präsident des NTB. „Wir freuen uns, dass die AOK dieses genauso sieht und unseren Vereinen die Bewältigung dieser Rolle gemeinsam mit uns zutraut.“
„Wir freuen uns darauf, das Projekt WalkingBus mit dem NTB und seinen Turnvereinen umzusetzen“, ergänzt Sandra Kuwatsch, Vorstandsmitglied der AOK Niedersachsen. „Der WalkingBus stärkt die Gesundheit durch gemeinsame Bewegung. Die Kinder zur Schule zu begleiten, unterstreicht das Engagement der AOK Niedersachsen für eine gesündere Zukunft und intakte Umwelt.“
Sowohl der Einsatz der Schülerlotsinnen und Schülerlotsen als auch der WalkingBus zeigen, dass das Engagement von Ehrenamtlichen in der Schule und in vielen anderen Bereichen eine bedeutsame Säule unserer Gesellschaft ist. Eine starke Demokratie lebt von aktiven Bürgerinnen und Bürgern, die im Sinne des Gemeinwohls mitgestalten. Ehrenamt fördert individuelle Teilhabe, gesellschaftliche Integration oder soziale Bindungen und trägt damit zu stabilen demokratischen Strukturen bei. Im Ehrenamt mit Vereinen, Initiativen und Projekten wird im Kleinen geübt, was im Großen das demokratische Gemeinwesen trägt.
Hartmut Manitzke, stellvertretender Geschäftsführer des Gemeinde-Unfallversicherungsverbandes Hannover, fügt hinzu: „Ehrenamtliche stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Wer sich in seiner Freizeit unentgeltlich für andere engagiert, tut etwas für die Gesellschaft und beweist aktive Solidarität. Ehrenamtliches Engagement ist unverzichtbares Element einer demokratischen Gesellschaft. Die Beiträge für das Ehrenamt werden von den Gemeinden und Kommunen entrichtet. Ehrenamtliche sind während ihrer Tätigkeit, sowie auf den Wegen hin und zurück versichert. Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt nach einem Unfall alle Kosten. Dem behandelnden Arzt sollte mitgeteilt werden, dass sich der Unfall bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit ereignet hat.“
Um die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zur Schule zu unterstützen, gibt es im Rahmen der Schulanfangsaktion weitere vielfältige Bausteine, darunter z.B. den Wettbewerb „AutoFREIE-Schule“, dessen Ziel es ist, drei Wochen ohne Auto zur Schule zu kommen. Dabei sind tolle Preise wie der Besuch in einem außerschulischen Lernstandort oder der Matze-Wanderpokal zu gewinnen, wenn die ganze Schule es schafft, den Schulweg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu meistern. Im Jahr 2022 waren ca. 16.000 Kinder aus 640 Klassen ohne Auto zur Schule unterwegs und sorgten damit für saubere Luft. Dabei wurden 86.240 Kilogramm CO2 eingespart.
Weiterhin trägt das Spiel „Die Supergeheime Bannzone“ auf spielerische Art und Weise dazu bei, zu Fuß zur Schule zu kommen. Die dafür einzurichtende temporäre Hol- und Bringzone, die sogenannte „Bannzone“ für Autos, beugt den morgendlichen „Elterntaxis“ vor, denn die Schülerinnen und Schüler werden an „Elternhaltestellen“ abgesetzt und können so einen Teil des Schulwegs zu Fuß gehen. Jeder niedersächsischen Grundschule wurde ein solches Spiel zur Verfügung gestellt.
Landesweit wird die Polizei in den kommenden Tagen und Wochen einmal mehr ihren Blick auf die Schulwege und insbesondere auf die Straßen und Flächen vor den Schulen richten. Neben der Überwachung der angemessenen Geschwindigkeiten und der korrekten Kindersicherung geht es dabei um die gegenseitige Rücksichtnahme.
Tipps für einen sicheren Schulweg zu Fuß:
- Gehen Sie den Schulweg oft und rechtzeitig mit Ihrem Kind ab
- Nutzen Sie die vorhandenen Markierungen auf den Gehwegen und erklären Sie Ihrem Kind die „gelben Füße“
- Bringen Sie Ihr Kind zu Fuß zur Schule oder lassen Sie es an einer Elternhaltestelle aussteigen, damit Sie gefährliche Verkehrssituationen mit dem Pkw gar nicht erst entstehen lassen
- Planen Sie ausreichend Zeit für den Schulweg ein, um Zeitdruck und Stress zu reduzieren
Holen Sie sich die Informationen über den Schulweg und Schulanfang, zum Beispiel aus:
- den Schulen
- den Schulelternabenden vor und in den Sommerferien
- den Internetauftritten der Institutionen ADAC, Landesverkehrswacht, Niedersächsischer Bildungsserver
- der örtlichen Polizeidienststelle (Ansprechpartner: Verkehrssicherheitsberater/-innen)
Weitere Bausteine der jährlich wiederkehrenden Schulanfangsaktion, die auch im Internet zu finden sind, sind der Kurzfilm „Abenteuer Schulweg“, der Schulwegplan, der „Bus auf Füßen“, der Elternbrief zur Einschulung, das Fußgängerdiplom in Kindertagesstätten, das Programm „Aufgepasst mit ADACUS“, das Moderatorinnen und Moderatoren an Grundschulen durchführen, sowie Aktionsplakate, Spannbänder und Schablonen für die „Gelben Füße“
Foto: MK-Nds/Brauers