Holzminden (r). "Kürzlich stand er noch in der Karlstraße. Alle kennen ihn aus den PR-Mitteilungen der Stadtverwaltung und des Bürgermeisters – der Plastik-Polizist. Er soll die rasenden Autofahrer zum langsamen Fahren animieren und für Verkehrssicherheit sorgen.
Die wackere Figur stand zum ersten Mal vor rund drei Jahren in der Dragoco-Straße. Dort wurde bei der Errichtung der KiTa Grashüpfer im Vorfeld nicht an die Einrichtung einer 30er-Zone gedacht wurde – trotz des dort herrschenden Berufsverkehrs. Erst durch Druck der KiTa-Eltern konnte die Stadtverwaltung überzeugt werden, dort tätig zu werden. Hervorzuheben ist, dass dieser Prozess fast ein dreiviertel Jahr dauerte.
Aufgrund der Trägheit der Stadtverwaltung nahm sich die Ratspolitik der Thematik tatkräftig selber an. So wurde von allen Fraktionen im Juni 2018 ein (eigentlich) wegweisender Beschluss gefasst. Die Verwaltung der Stadt Holzminden bekam folgenden Auftrag; sie sollte prüfen, ob auf den öffentlichen Straßen oder Gehwegen vor den KiTas und Grundschulen bauliche Maßnahmen oder die Aufstellung zusätzlicher Verkehrsschilder bzw. digitaler Geschwindigkeitsanzeigen angezeigt sind. Ein zentraler Punkt war hierbei, dass die KiTa- und Grundschul-Leitungen mit eingebunden werden sollten. Der Ratsbeschluss forderte auch, dass die Ergebnisse der Analyse bis zu den Haushaltsverhandlungen 2019 vorliegen, um das notwendige Geld für die Umsetzung der Maßnahmen zeitnah zur Verfügung zu stellen.
Dann kam aber alles anders als gedacht. Die geforderte Maßnahmenliste lag zu den Haushaltsverhandlungen nicht vor. Auf konkrete Nachfrage an den Bürgermeister Daul im November 2018, wann denn damit nun zu rechnen ist, gibt es bis heute keine klare Antwort. Vielmehr wurde von ihm betont, dass das Anordnen von Verkehrszeichen nicht in der Zuständigkeit des Rates liegt und die Verkehrsschau keine Gefahrenlage erkannt hat. Zudem wurden die Kommunalpolitiker von der Verwaltung belehrt, dass das Erkennen, Bewerten und Beseitigen von Mängeln im Bereich der Verkehrssicherheit nicht in der Zuständigkeit des Rates liegen. Diese Aussagen machen einen erstmal fassungslos und man fragt sich, ist dies wirklich so. Warum erhoben Verwaltung und Bürgermeister diese Einwände zudem nicht bereits vor der Beschlussfassung?
Die Ratsmitglieder sind geradezu verpflichtet sich für die Verkehrssicherheit der Jüngsten einzusetzen und festzuhalten ist – sie tun es auch. Außerdem ist es sachlich völlig falsch, dass der Rat bei dem Thema keine Befugnisse hat. In anderen Städten aber auch in Holzminden hat der Rat in der Vergangenheit selbst z.B. 30er-Zonen politisch beschlossen. Dazu bedarf es keines Bürgermeisters. Nicht nachvollziehbar war es zudem, dass die Verwaltung überhaupt keine Probleme in punkto Verkehrssicherheit sah, während die Schulen hier eine ganz andere Auffassung vertraten. Wo man nicht hinschaut, kann es natürlich auch keine Probleme geben. Fazit ist, der politische Beschluss, der die Basis für ein ganzheitliches Verkehrssicherheitskonzept für unsere Schul- und KiTa-Kinder hätte sein können, wird von der Verwaltung und vom Bürgermeister nicht umgesetzt.
Wir haben weiterhin eine Reihe von Problemstellen, wie z.B. die fehlende sichere Querung am Hotel Buntrock/Forster Weg. Statt eines Plastik-Polizisten bedarf es echter und regelmäßiger Geschwindigkeitskontrollen. Ein ausgeklügelter Kontrollplan muss her. Der Plastik-Polizist gehört ersetzt durch neue, fest installierte Dialoganzeigen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Autofahrer bei diesen tatsächlich vom Gas runtergehen. Eine Elternvertreterin betonte in einer Ausschuss-Sitzung zudem, dass man sich die Schulwege genauer anschauen muss und dort Gefahrenpunkte entschärfen muss. Auch die Aktion „Elterntaxi“ des Auto Club Europa e.V. über welche der TAH berichtete, macht deutlich, dass längst nicht alles in Butter ist und Handlungsbedarf besteht.
Vorbildlich ist die Initiative einiger Elternvertreter der Grundschule Karlstraße, die mit Hartnäckigkeit die Erweiterung der 30er-Zone vor der Karlschule (beidseitig und bis zur Sohnrey-Straße) durchgesetzt haben. Auch hier argumentierte die Stadtverwaltung erst ausführlich dagegen, dass die beidseitige Einführung rechtlich nicht möglich sei, da kein Gefahrenpunkt vorliege. Dass wir schon lange eine geänderte Gesetzgebung haben, welche die Einführung von 30er-Zonen vor Grundschulen und KiTas erheblich vereinfacht, wird in der Verwaltung offensichtlich immer noch nicht zur Kenntnis genommen. Die PR um den Plastik-Polizisten erweckt den Eindruck als kümmere sich die Stadtverwaltung fürsorglich um das Thema Verkehrssicherheit. Für uns stellt die Figur und die damit betriebene Nabelschau genau das Gegenteil dar – das Sinnbild eines fehlenden ganzheitlichen Verkehrssicherheitskonzeptes für unsere Schulkinder."
UWG-Fraktion im Holzmindener Stadtrat
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