Kreis Holzminden (r). Der Grundsatzbeschluss zur künftigen Schulstruktur im Landkreis Holzminden ist mit großer Mehrheit im Kreistag beschlossen worden. „Kommentare und Stellungnahmen haben uns gezeigt, dass die Details oftmals unbekannt sind“, so der Vorsitzende der CDU Kreistagsfraktion Uwe Schünemann. Mit drei „Facebook-Live-Veranstaltungen“ habe man zum Ende letzten Jahres für Aufklärung sorgen wollen. Das Interesse sei enorm gewesen. Insgesamt hätten mehr als 120 direkt mitdiskutiert und über 4000 die Beiträge angesehen.
Die größte Beteiligung fand beim Thema „Hintergrundinformationen zum Bildungsgipfel“ statt. Sabine Echzell als Vorsitzende des Kreis-Bildungsausschusses und Uwe Schünemann stellten die Ergebnisse der drei Präsenzsitzungen vor. Grundlage für die Beratungen war ein einstimmiges Kreistags-Votum zu einem CDU/FDP/Kumlehn-Antrag im Dezember-2019.
Nach einer Bestandserhebung der weiterbildenden Schulen und einer Bedarfsanalyse der Kinderbetreuung in den Gemeinden habe Landrat Michael Schünemann bereits in der 2. Sitzung zwei Lösungen für eine künftige Schulstruktur präsentiert. Die „Ein-Standort-Variante“ im Norden des Landkreises mit einer 6 zügigen IGS an einem möglichen Standort in Holzen habe inhaltlich viele Befürworter aber auch genauso viele Kritiker hervorgebracht. Dagegen sei die „Zwei-Standort-Variante“ mit den Oberschulen in Bodenwerder und Stadtoldendorf weitestgehend ohne Beachtung in der Öffentlichkeit geblieben.
„Die niedrigen Geburtenraten zwingen den Landkreis zum Handeln“, erklärt Sabine Echzell die Vorschläge des Landrates. Ansonsten seien mittelfristig die Bildungsqualität und ein breites qualifiziertes Schulangebot gefährdet. Hinter verschlossenen Türen würden alle Beteiligten diese Analyse bestätigen. Mit dem Vorstoß des Landrates konnten anhand von Zahlen und Fakten über die daraus notwendigen Konsequenzen konkret diskutiert werden. Es wurde zunächst vereinbart, dass die Kreisverwaltung mit den Verantwortlichen der Standortgemeinden die Varianten bespricht. Investitionskosten und Einsparungen bei den Folgekosten sollten ermittelt werden.
Die CDU Fraktion hat parallel dazu mit den Schulvorständen aller betroffenen weiterbildenden Schulen und Vertretern des Kreiselternrates intensive Gespräche geführt. Zusammenfassend habe man folgende Erkenntnisse gewonnen: „1. Das Engagement der Lehrerschaft ist an allen Schulen beeindruckend. 2. Der Aufbau einer zentralen sechszügigen IGS könnte aufgrund der mangelnden Akzeptanz der Randgemeinden mit hohem Risiko verbunden sein. 3. Durch flankierende Maßnahmen ist die Zukunftsfähigkeit der Oberschulen in Bodenwerder und Delligsen möglich. 4. Ein zusätzliches integratives Sek I-Angebot mit einem gymnasialen Zweig fehlt“.
In der dritten Sitzung des Bildungsgipfels wurden die Investitions- und Folgekosten für zwei Modelle einer „Nordschule“ und für die „Zwei-Standort-Variante“ aufgezeigt. Zudem hat der Bürgermeister des Flecken Delligsen dem Landkreis vorgeschlagen, eine zweizügige Oberschule in Verbindung mit der Grundschule Delligsen zu bauen. Der Rat habe einstimmig das Angebot einer Kostenbeteiligung von 3 Mio. € beschlossen. Entsprechende Beschlüsse von anderen Gemeinden lagen noch nicht vor. Beratungen in den Gremien wurden aber von den Hauptverwaltungsbeamten der Samtgemeinde Bodenwerder und der Stadt Stadtoldendorf in Aussicht gestellt. Für die vierte Sitzung sollten die Fraktionen Stellungnahmen erarbeiten.
Daraufhin wurden intensive Gespräche innerhalb der CDU/FDP/Kumlehn-Gruppe und mit der SPD sowie dem Landrat geführt. Bündnis90/Die Grünen waren an gemeinsamen Überlegungen nicht interessiert. Am Ende stand ein Grundsatzbeschluss, der den Erhalt der Oberschulen in Bodenwerder und Delligsen sowie den Umzug der Förderschule Geistige Entwicklung nach Eschershausen vorsieht. Zudem soll eine vierzügige Sekundarschule mit einem gymnasialen Zweig an einem noch zu bestimmenden Standort entstehen. Dafür müssen die Oberschulen Bevern und Stadtoldendorf sowie die Haupt- und Realschule Eschershausen aufgegeben werden. Eine Fachkommission ohne Beteiligung der Politik soll zu Beginn des neuen Jahres das pädagogische, didaktische Konzept sowie die Schulform der neuen Schule empfehlen. Der Zeitplan für die Umsetzung soll durch einen Projektsteuerer vorgelegt werden. Priorität habe die Unterbringung der Förderschule durch einen barrierefreien Umbau der HRS Eschershausen und einen Anbau.
Vor der Kreistagsentscheidung fand eine virtuelle Beteiligung des Bildungsgipfels über die Internetplattform des Landkreises statt. Der Kreis-Bildungsausschuss hat mit Zustimmung von SPD, CDU, UWG, der Vertreterinnen des Kreiselternrates und der Schülervertretung den Grundsatzbeschluss empfohlen. Eine Verschiebung des Kreistages am 14.12.2020 hätte eine endgültige Beschlussfassung auf Grundlage der Empfehlung der Fachkommission und des Projektsteuerers in dieser Legislaturperiode verhindert und damit die Unsicherheit aller Beteiligten unverantwortlich verlängert.
Ausführlich wurden die Gründe für die neue Sekundarschule von den CDU Kreistagsabgeordneten Sabine Echzell, Helmut Affelt und Uwe Schünemann auf „Facebook-Live“ erläutert: Nach Abzug der Gymnasialquote stehen zukünftig lediglich rund 90 Schülerinnen und Schüler pro Jahrgang aus den Samtgemeinden Eschershausen/Stadtoldendorf und Bevern zur Verfügung. Mit 15 Anmeldungen aus der Stadt Holzminden für die OBS Bevern im Sommer 2020 habe sich das Interesse der Eltern gegenüber den Vorjahren bereits mehr als halbiert. Die mittlerweile hohe Bildungsqualität und moderne Lernorte in einem Neubau am Billerbeck werden diesen Trend zu Gunsten der Oberschule Holzminden noch steigern. Mit durchschnittlich 37 Geburten pro Jahr in der Samtgemeinde sei die OBS Bevern aus eigener Kraft nicht überlebensfähig.
Entscheidend für die Neuordnung sei aber das fehlende Angebot einer integrativen Sekundarschule mit einem breiten Bildungsangebot. „Die Abwanderung zur Paul-Gerhard-Schule in Dassel wird auch dadurch begünstigt, dass die OBS Stadtoldendorf keinen gymnasialen Zweig aufgrund der zu geringen Schülerzahlen anbieten kann“, ist Helmut Affelt überzeugt. Mit Spannung erwarte man die Empfehlung der Fachkommission für die zukünftige Schulform. Alle drei möglichen Varianten seien hoch attraktiv: Bei der vierzügigen OBS mit einem gymnasialen Zweig steht die berufliche Bildung im Vordergrund. Die IGS kennt keine Schulzweige und ermöglicht eine individuelle Förderung. Wenn die KGS zum 01.08.2021 wieder zugelassen wird, könnte durch das dreigliedrige Schulsystem mit integrativen Elementen das Angebot einer Haupt- und Realschule im Landkreis Holzminden aufrechterhalten bleiben.
Die Zukunftsfähigkeit der Oberschulen in Bodenwerder und Delligsen würde nach Ansicht der CDU Kreistagsabgeordneten Friedrich-Wilhelm Schmidt und Lutz Tekluck durch vier vorgesehene Maßnahmen abgesichert: Die Schaffung moderner Lernorte, eine engere Zusammenarbeit mit den Grundschulen, spezielle Profile wie zum Beispiel „virtuelle Schule“ und die Einrichtung von Schulbezirken.
Auf Vermittlung von Uwe Schünemann hat der Landrat bereits mit der Kommunalaufsicht des Innenministeriums über die Finanzierung der notwendigen Schulinvestitionen verhandelt. Eine Genehmigung werde nur in Aussicht gestellt, wenn ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept vom Kreistag beschlossen wird. Dabei sollten die Folgekosten erheblich reduziert werden. Diese Auflage werde mit dem Grundsatzbeschuss erfüllt.
Große Verunsicherung herrscht bei den Eltern an den von einer möglichen Schließung betroffenen Schulen. Sabine Echzell konnte durch versierte Antworten auf die allermeisten Fragen für Aufklärung sorgen. So werde jedes Kind seinen Schulabschluss in der gewählten Schulform machen können. Ob das auch an dem jetzigen Standort erfolgen kann, wird erst nach dem vom Projektsteuerer erstellten Zeitplan feststehen. Die Digitalisierung werde an allen Standorten mit Hochdruck umgesetzt. Mit der Umsetzung der neuen Schulstruktur werde die Schülerbeförderung nicht nur angepasst, sondern auch optimiert.
Die CDU Kreistagsfraktion wird schnellstmöglich den Schulvorständen aller weiterführenden Schulen eine Zoom-Veranstaltung zur vertieften Diskussion über das zukünftige Bildungsangebot im Landkreis Holzminden anbieten.
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