Holzminden (red). Wenn an diesem Sonntag vor den Dienstgebäuden aller Behörden die Flaggen wehen, ist der Grund wohl den meisten BürgerInnen bekannt: Schon seit langer Zeit wird der 1. Mai als „Tag der Arbeit“ begangen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde er international als „Kampftag der Arbeiterklasse“ von den Sozialisten ausgerufen. Wichtigste Forderung war der Achtstundentag, und das zu einer Zeit, als die tägliche Arbeitszeit in den Fabriken noch beträchtlich länger dauerte.
Da heutzutage arbeitsrechtliche Fragen vor allem von den Gewerkschaften vertreten werden, richten diese am 1. Mai traditionell ihre Kundgebungen aus. Vom verbissenen Klassenkampf der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg sind hauptsächlich die roten Fahnen geblieben, die auch heute noch das Bild der Veranstaltungen prägen. Schon in der Weimarer Republik wurde er zum allgemeinen Feiertag.
Im Kreis Holzminden waren es Steinhauer aus Stadtoldendorf, die erstmals 1891 während der Arbeit rote Taschentücher am Gehstock befestigten und aufstellten. Ihrem Arbeitgeber sagten sie, die Taschentücher seien gewaschen und zum Trocknen aufgehängt worden. Dieser Aussage glaubte die Stadtpolizeibehörde seinerzeit allerdings nicht, sondern meldete den Vorgang nach Holzminden.
1899 wurde ein Bierabend der Sozialistischen Vereinigung zu Fürstenberg aktenkundig. Er konnte im folgenden Jahr nicht wiederholt werden, weil sämtliche Gastwirte in Boffzen und Fürstenberg sich weigerten, ihre Räume für eine solche Veranstaltung zu öffnen.
Glücklicherweise haben sich die Zeiten gewandelt. Heutzutage muss niemand befürchten, wegen seiner Teilnahme an einer Maikundgebung von der Obrigkeit verfolgt zu werden. Und die jetzt gebräuchlichen Papiertaschentücher lassen sich nicht mehr zum Trocknen aufhängen, weil sie zuvor im Waschwasser zerfallen würden.