Neuhaus (red). In diesem Jahr fand die 4. Regionale Living-Lab-Beiratssitzung des Forschungsprojekts „GreenGrass“ im Naturpark Solling-Vogler statt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Gastgeber waren der Naturpark Solling-Vogler und die Weidegenossenschaft Weideland eG, welche auch im Beirat tätig sind.
„GreenGrass“ ist ein Forschungsprojekt unter Beteiligung der Georg-August-Universität Göttingen, der Humboldt-Universität zu Berlin und des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen. Ziel von „GreenGrass“ ist es, den Herausforderungen unserer Zeit - der wachsenden Weltbevölkerung, der Limitierung natürlicher Ressourcen und dem globalen Wandel - Rechnung zu tragen. Zur Sicherung der Nahrungsversorgung und der Lebensgrundlage zukünftiger Generationen bedarf es neuer Lösungen für eine nachhaltige, ressourceneffiziente und anpassungsfähige Agrarproduktion. Dem Grünland kommt eine besondere Rolle bei der Konservierung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft zu; Grünland bietet mehr als 40% der Pflanzenarten einen Lebensraum.
Durch die zunehmende Intensivierung der Nutztierhaltung hat sich diese weitgehend vom Grünland gelöst. Die landwirtschaftlichen Nutztiere sind vielerorts aus dem Landschaftsbild verschwunden und werden heute ganzjährig im Stall gehalten. Dadurch ist Grünland nicht mehr Basis der Wiederkäuerhaltung und wird nicht mehr angemessen in Bezug auf die Sicherung der Ökosystemleistungen genutzt. Der zunehmende Druck auf das Grünland erfordert einen Paradigmenwechsel in der Bewirtschaftung zur Inwertsetzung des Grünlands und zur Sicherung elementarer Ökosystemleistungen. Eine zukunftsfähige, nachhaltige Grünlandbewirtschaftung bedingt eine ganzheitliche, systemorientierte Vision. Fokussierung auf einzelne ökonomische, ökologische oder gesellschaftliche Aspekte wird langfristig keine nachhaltige Nutzung gewährleisten. Die Vision des Projekts „GreenGrass“ besteht darin, eine Trendwende in der Entkopplung von Weide- und Nutztierhaltung einzuleiten. „GreenGrass“ bringt Weidetiere wieder auf die Weide, wo sie als wichtige Akteure zur Optimierung der strukturellen und biotischen Vielfalt in der Landschaft beitragen.
Mithilfe innovativer Hüte- und Fernerkundungstechnologien sollen die Weidetiere auf ihrem Weidegang aus dem Stall durch die Landschaft auf Distanz gehütet werden. Fernerkundungstechnologien liefern dabei räumlich und zeitlich hochaufgelöste Informationen über die Nahrungsmenge und -qualität, zu überquerende Hindernisse (z.B. Straßen) sowie die schützenswerten und neu zu erschaffenden Ökosystemleistungen (z.B. Nisthabitate von Bodenbrütern) in der Landschaft. Diese Landschaftsinformationen werden genutzt, um den Weidetieren mithilfe von Sensoren via Virtual Herding entlang der dörflichen Infrastruktur die besten saisonalen Futtergründe unter Meidung geschützter Habitatstrukturen zuzuteilen. Die saisonal optimierte Futterversorgung der Weidetiere durch präzise räumliche und zeitliche Landschaftsinformationen ermöglicht einerseits die Erzeugung von hochwertigen Premiumproduktion (z.B. Fleisch, Rohmilch) und andererseits die Sicherstellung oder Schaffung wichtiger öffentlicher Güter (schützenwerte Habitatstrukturen, z.B. feuchte Senken mit artenreicher Vegetation, Bereiche mit Wiesenbrüternestern, Altgrasinseln für Schmetterlinge und Heuschrecken, Bereiche mit besonderer Pflanzenvielfalt – Orchideenwiesen, usw.). Die nachhaltige Erzeugung hochwertiger Premiumprodukte und der Beitrag zum Schutz der Biodiversität oder Neuerschaffung zusammenhängender, heterogener Habitatstrukturen können Verbrauchern und Behörden zukünftig über ein transparentes Mehrebenen-Informationssystem zuverlässig nachgewiesen werden. Der Landwirt kann dadurch seine hochwertigen Produkte über ein solides Ökolabel vermarkten und Kompensationszahlungen aus der 2. Säule der CAP (Common Agricultural Policy) der EU für die erbrachten Ökosystemleistungen durch seine innovative, nachhaltige Produktionsstrategie beziehen.
Zum Abschluss hatte der Beweidungsmanager des Naturpark Solling-Vogler und ehrenamtliche Geschäftsführer der Weidegenossenschaft Weideland eG Holger Schwerdtfeger die Möglichkeit, den Anwesenden auf einer Fläche der Weidegenossenschaft bei Silberborn die naturnahen Beweidungskonzepte des Naturparks vorzustellen. Der Naturpark Solling-Vogler ist seit dem Jahr 2000 für das Tiermanagement im Hutewaldprojekt der Niedersächsischen Landesforsten zuständig - auf einer Fläche von mittlerweile 230 ha (historischer Eichen-Hutewald, entstehende Hutelandschaft und Grünlandfreifläche) mit Heckrindern (einer Rückzüchtung des im 17. Jahrhundert ausgestorben Auerochsen) und Exmoorponys (einer seit über 1.000 Jahren dokumentierten extensiven Ponyrasse aus England). Aus diesem Projekt hat sich im Jahr 2008 die Weidegenossenschaft Weideland eG, welche heute aus 47 Mitgliedern aus Land- und Forstwirtschaft, Kommunen, Gastronomie, Schlachtern und Privatpersonen besteht, gegründet. Die Weideland eG bewirtschaftet ca.120ha historisches und sehr artenreiches Grünland über das Gebiet des Naturpark Solling-Vogler verteilt mit ihren Tieren, den Exmoorponys, den Heckrindern und Rindern der Rasse Galloway. Hiermit sorgt die Weidegenossenschaft genau wie der Naturpark Solling-Vogler mit seinen Tieren für die Offenhaltung der historischen Sollingtäler und die Erhaltung des artenreichen Grünlandes.
Dabei betonte Herr Schwerdtfeger, wie begrüßenswert es ist, dass bei diesem Forschungsvorhaben die Praxis in Form des Beirates von Anfang an mit einbezogen worden ist und den zukünftig hohen Stellenwert so eines innovativen Beweidungssystems besonders auch auf den ökologisch wertvollen Flächen, welche der Naturpark Solling-Vogler und die Weidegenossenschaft bewirtschaften. Hierbei ergeben sich arbeitswirtschaftliche Vorteile durch temporäres Auszäunen artenreicher Lebensräume sowie eine optimale Tierkontrolle besonders in großflächigen Beweidungsgebieten.
Fotos: Leonhard Klinck, Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen