Holzminden/ Pyeongchang (kp). „Hallo Kai, wir sind gut angekommen, schicke Dir hier mal ein Willkommensfoto“, so sah heute meine kurze „Live-Schalte“ zu Christian Bode nach Pyeongchang aus, dort, wo der Holzmindener Pastor zurzeit als Seelsorger der deutschen Athleten bei den ,,Paralympischen Winterspielen" tätig ist. „Noch ist hier alles ganz ruhig, doch wenn es erstmal losgeht…“, ließ er noch einen kurzen Satz mitschwingen, ehe wir den Kontakt frühzeitig wieder unterbrechen mussten. In Pyeongchang, in der südkoreanischen Provinz Gangwon-do gelegen, war es da schon 21:30 Uhr, als ihm meine Nachricht um 13:30 Uhr deutscher Zeit zugestellt wurde.

Bis zum offiziellen Beginn haben der 40-jährige Christian Bode, die 22 mitgereisten Athletinnen und Athleten sowie das aus etwa 50 Personen bestehende deutsche Betreuerteam noch Zeit, sich zu akklimatisieren. Am 9. März beginnt der erste Wettkampftag und am 18. endet der letzte. Wenn es erstmal losgeht, dann wird es „ernst“, auch für den Seelsorger. Was dann zu tun ist, beispielsweise in Situationen größter sportlicher Misserfolge und Tragödien, das weiß Christian Bode zu gut. Die ,,Paralympischen Spiele" in Südkorea sind bereits seine zweiten Winterspiele und seine vierten Paralympics insgesamt, die er als Seelsorger für die deutschen Athleten begleitet.

Als ich ihn zwei Tage vor seiner Abreise traf, konnte er mir einige Einblicke in seine Arbeit aus seiner Zeit bei den Winterspielen in Sotschi gewähren. Ähnlich werde es sich wohl auch in Südkorea verhalten. „Ein wesentlicher Unterschied zu den Sommerspielen ist das verhältnismäßig kleine Team“, erklärt Bode gleich zu Anfang. 22 Athleten sind es dieses Mal. Eine kleine Gruppe, die eine durchaus nähere Atmosphäre schaffen könne. Viele aus dieser Gruppe hat er schon vor vier Jahren in Sotschi begleitet. „Ich erinnere mich natürlich an Anna Schaffelhuber, die bei fünf Starts im Ski Alpin sagenhafte fünf Goldmedaillen gewonnen hat“, blickt er zurück. Natürlich sei sie auch in diesem Jahr wieder eine der großen Favoritinnen.

Dann sind da aber noch andere Erinnerungen, die traurigen, jene, in denen der 40-Jährige vor allem zur Tat schreiten muss. „Der Ski-Hang hat es damals in Sotschi deutlich gemacht“, beginnt Bode, „ich habe gemerkt, dass zwischen einer Medaille, einem Sieg und einer Niederlage manchmal nur eine Bodenwelle entscheidet.“ Diese „doofen Unebenheiten im Schnee“, wie er sie im selben Atemzug auch nennt. Zu spüren bekam dies der Athlet Georg Kreiter. Christian Bode: „Georg Kreiter war in der Königsdisziplin Slalom auf Medaillenkurs. Eine Medaille war zum Greifen nah. Es waren am Ende nur drei Tore, die zwischen Sieg und Niederlage entscheiden sollten. Vor dem drittletzten Tor tat sich eine Bodenwelle auf, auf der er wegrutschte und die seinen großen Traum in Sekundenschnelle beendete.“
Später sei er Georg Kreiter begegnet, als dieser sich im Haus der deutschen Athleten immer und immer wieder seinen letzten Lauf im Fernsehen ansah, bis zu dem Punkt, als ihm die Bodenwelle vor dem letzten Tor den großen Medaillentraum entriss. „Ich sah ihn immer wieder den Kopf schütteln an jener besagten Stelle“, erinnert sich Bode. „So ist die Natur, es war ja noch nicht einmal ein Fahrfehler.“

Da sitzt also ein Athlet, der vier Jahre lang auf genau diesen einen Moment hingearbeitet hat, der sein Bestes zeigen wollte, sich selbst, seiner Familie und nicht zuletzt der ganzen Welt. Vier Jahre hartes Training und gnadenlose Aufopferung für genau diesen einen Lauf und dann ist auf einmal alles vorbei. Was macht dann so ein Seelsorger eigentlich genau?

„Wir Seelsorger sind im System, wir sind mittendrin, nah dran, aber auch gleichzeitig auf Distanz, um allerdings stets zu signalisieren, dass wir für Gespräche ständig zur Verfügung stehen“, erklärt der Pastor. Manchmal, so sagte es mir Christian Bode, nachdem er seine Erfahrungen von den ,,Paralympischen Sommerspielen" aus Rio mitbrachte, sei es auch einfach nur wichtig, den Schmerz gemeinsam zu teilen.

Außerdem versucht der 40-Jährige die Kirche vor Ort zu „installieren“. Gesprächsbedarf nehme er auch dann entgegen, wenn sich die Themen über die sportlichen Wettkämpfe hinaus bewegen. „Was ich einen Pastor schon immer mal fragen wollte“, so stellt sich Christian Bode sein Gesprächsangebot vor. „Teilweise spreche ich mit den Athleten tatsächlich über Gott und die Welt, buchstäblich und metaphorisch“, schmunzelt er. „Es ist für die Sportler gut zu wissen, dass es dieses Angebot gibt, dass man sich vertrauensvoll an jemanden wenden kann, auch wenn vielleicht kein Redebedarf besteht“ weiß Bode. Und weiter: „Ich führe aber auch keine Strichliste und sage, dass es nur ein guter Tag war, wenn ich heute zehn Gespräche geführt habe. Was mir auch sehr wichtig ist, ist die Erfahrung, dass wir hier unter den Athleten immer eine sehr große Wertschätzung erfahren haben.“

Wir von der Onlineredaktion wünschen Christian Bode und dem deutschen Team das Beste und vor allem unfallfreie Wettkämpfe. Wenn Pastor Bode wieder in Holzminden sein wird, werden wir ihn „Auf einen Kaffee…“ treffen, um mit ihm über seine Erfahrungen in Pyeongchang zu sprechen.

Foto: Christian Bode