Holzminden (red). Wie ist das regionale Weiterbildungsangebot in der Ambulanten Pflege, insbesondere in Bezug zur Digitalisierung, und welche neuen innovativen Ideen und Ansätze könnten die Teilnahme erleichtern und attraktiver machen, dies waren einige der zentralen Fragen im praxisnahen Teil-Forschungsprojekt Digitale Kompetenzen in der Weiterbildung (DiKom). Das Forschungsteam unter Leitung von HAWK-Professorin Dr. Alexandra Engel konnte in der dreijährigen Projektphase an der HAWK am Standort Holzminden im engen Kontakt mit Unternehmen und Mitarbeitenden in der Ambulanten Pflege jetzt zukunftsweisende Konzepte entwickeln, durchführen und evaluieren, sowie für den Transfer in die Praxis vorbereiten. Diese Ergebnisse stellte die HAWK jetzt einer Fachöffentlichkeit bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern aus der Pflege, Kommune, von Weiterbildungsträgern und beteiligten Institutionen vor.
Nach der Begrüßung durch die Projektleiterin Prof. Dr. Alexandra Engel von der HAWK-Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen in Holzminden folgte der Fachvortrag „Quo vadis Pflege? Digitalisierung im Realitätscheck“ von Alterswissenschaftlerin und Pädagogin Martina Saße. Diese gab einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen und Tendenzen von Digitalisierung in der Pflege. Im besten Fall setze die Digitalisierung personelle Ressourcen frei, im schlimmsten Fall bedeute sie eine zusätzliche Belastung und ein Mehraufwand, so die Dozentin.
Dass personelle Ressourcen eine entscheidende Rolle spielen, bestätigte auch die Ergebnispräsentation des Projekts. „Digitale Kompetenzen müssen in der Pflegebranche erlernt und vermittelt werden, das hat insbesondere die Coronavirus-Pandemie gezeigt. Sie hat aber auch verdeutlicht, dass die Pflegebranche und die in der Pflege Tätigen dauerhaft überlastet sind. Aufgrund des Fachkräftemangels ist es kaum möglich, sich weiterzubilden und im Berufsalltag zu fehlen. Unter diesen Umständen muss Weiterbildung verändert werden, ein Blockunterricht zum Beispiel ist nicht leistbar. Weite Fahrten zu Weiterbildungsträgern scheiden ebenfalls aus. Trotzdem besteht seitens der Pflegefachkräfte ein großer Wunsch nach Präsenzanteilen und persönlichem Austausch mit anderen Fachkräften“, so die umfangreichen Forschungsergebnisse.
Diese flossen neben der Forschung in ein „Social blended learning“-Konzept ein, das neben Präsenz- und Onlineterminen Selbstlernphasen beinhaltet und neben rein fachlichen Inhalten niedrigschwellig in Digitalisierung einführt. Die Rolle der Lerncoaches, die für technische oder digitale Fragestellungen ansprechbar sind und beim Umgang mit Tools und Endgeräten helfen sollen, ist ein weiteres Plus der innovativen Entwicklung. Zudem unterstützen sie den individuellen Lernprozess, moderieren die Selbstlernphase der Weiterbildungseinheiten und stellen den Transfer in die Praxis sicher.
Mark Becker, Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative Höxter und Geschäftsführer der Gebr. Becker GmbH ist überzeugt: „Neben dem Vermitteln von reinem Fachwissen, ist das Lernen lernen wichtig – dafür ist der Lerncoach bestens geeignet.“ „Weiterbildung ist dann erfolgreich, wenn sie nachfrageorientiert ist. Und dieses Konzept kann funktionieren“, ergänzt Michael Pfeil, Geschäftsführer des Ambulanten Pflegedienstes Holzminden Kraft und Pfeil. Dass das Weiterbildungskonzept für viele Unternehmen interessant sein kann, da es kurze fachliche Inputs ermöglicht, betonte Prof. Dr. Alexandra Engel. „Das Format bietet außerdem die Möglichkeit, neue Anwendungen oder Techniken zu implementieren und auszuprobieren.“ An Projektinseln konnten die Teilnehmenden viele weitere konkrete Ergebnisse entdecken, wie zum Beispiel die regionale Weiterbildungsplattform der Qualifizierungs.Werk.Statt, die bedarfsorientierte Weiterbildungen vor Ort oder online auflistet.
Die Abschlussdiskussion widmete sich einem Ausblick auf die Realisierungsoptionen in den nächsten drei bis fünf Jahren: Aus schulischer Sicht erklärte Andreas Hölzchen, Schulleiter der Georg-von-Langen Berufsbildenden Schule Holzminden: „Unterricht muss handlungsorientiert gedacht werden und Digitalisierung kann dabei helfen. Außerdem könne so Interdisziplinarität ermöglicht werden.“ Diese Interdisziplinarität beim Lernen sieht Michael Pfeil, der sich eine Weiterbildung „DigitaleTransformation“ aus Pflege, Medizinischem Fachpersonal, Pharmazeutischer Fachexpertise und Krankenhausmitarbeitenden wünscht – auch, um die Schnittstellen zusammenzubringen. „Pflege ist heterogen und besteht aus Versorgungsketten.“
Ein Ziel ist es auch unter dem Dach des Innovationsnetzwerks Holzminden Höxter eine Pflege.Werk.Statt zu gründen, ein Netzwerk, das den Raum für Austausch für die Pflegebranche bieten soll. Netzwerkmanagerin Imke Müller-Stauch kann ihre Erfahrungen aus den anderen erfolgreichen Netzwerken nutzen und ist sich sicher, dass die branchenübergreifende Zusammenarbeit auch in diesem Fall gewinnbringend sein wird. Interessierte an der Pflege.Werk.Statt können sich direkt an
Gefördert wurde das Verbundprojekt mit knapp 800.000 Euro durch die EU (ESF), das Land Niedersachsen, die beteiligten Landkreise Göttingen, Goslar, Northeim, Holzminden und Wolfenbüttel sowie durch Mittel der beteiligten Hochschulen.
Fotos: HAWK