Holzminden (zir). Kaum jemand übersah die mehr als 350 Traktoren, als man sich am Montagmorgen des 8. Januar auf den Weg zur Arbeit, zur Schule oder zu Terminen machte. Geschmückt mit Bannern und Parolen, hatte die gewaltige Anzahl an Traktoren dasselbe Ziel: Holzminden. Dabei kam es teilweise zu starken Einschränkungen des Verkehrs: auf der L584 Richtung Bevern bildete sich ein erheblicher Rückstau, ein Abfahren von der B64 im Bereich Allersheim war zeitweise nicht möglich und in der Bülte in Holzminden stand bereits alles voll mit Traktoren und Demonstranten.
In der Oberen Straße, zwischen dem Geschäftsbüro der SPD und Grünen sowie dem Biersalon „Lion“ einigte man sich auf den Treffpunkt. Hier versammelten sich nicht nur Landwirte, sondern auch Handwerker, Jäger und Spediteure – insgesamt etwa 300 an der Zahl. „Dass Kinder und auch Ehefrauen heute hier stehen, zeigt, dass unser Protest eine Herzensangelegenheit ist. Es geht hier nicht nur um einfache ‚Bauernbetriebe‘, sondern um Familienbetriebe“, wies Vorsitzender des Landkreises Holzminden im Landvolk Niedersachsen, Frank Kohlenberg, in seiner Rede zu den Protestierenden hin. „Wir Landwirte denken nicht über Monate hinaus, sondern über Generationen. Wenn wir jetzt nicht was tun, dann haben wir verloren. Dann verlieren wir den Wert regionaler Produkte und finden nur noch Produkte von außerhalb in unseren Läden, die unter schlechten Bedingungen angebaut wurden“, heißt es weiter. „Es überwältigt mich, dass heute so viele mit uns protestieren. Mir fällt kaum ein Betrieb ein, der heute nicht vor mir steht. Allein das zeigt, dass die sich Betroffenheit nicht nur auf die Landwirte begrenzt“, so Christian Ahlswede, der Organisator des Protestes. Weiter erwähnt Ahlswede, dass die Stimmung in der Landwirtschaft über die letzten Jahre hinweg ohnehin schlecht gewesen sei. Das Sparpaket der Regierung hat nun „das Fass zum Überlaufen gebracht“ und bedeute jährliche Einbußen von mehreren tausend Euro für jeden Betrieb. Ziel des Protestes sei deshalb nicht nur der negativen Stimmung ein Bild zu geben, sondern auch den Bundesabgeordneten aus dem Landkreis Holzminden Johannes Schraps (SPD) und Mareike Lotte Wulf (CDU) bzw. Helge Limburg (Grüne) den Unmut der Landwirte in schriftlicher Form zu überreichen. Mitglieder der jeweiligen Parteien nahmen die Schriften entgegen.
Nach den Reden von Kohlenberg und Ahlswede ging es mitsamt Vertretern der Parteien der Ampelregierung ins persönliche Gespräch. Hier erklärten Ahlswede und Kohlenberg Kellermann, Dirk Reuter (SPD, stellvertretend für Schraps) und Hermann Grupe (FPD) noch einmal im Detail die Forderungen der Protestierenden. Die drei Vertreter zeigten sich hierbei sehr kooperativ und gestanden eine fehlerhafte Politik der Regierung ein. „Die Art und Weise, wie die Regierung ihre Entscheidung nach außen hin kommuniziert hat, sehe ich als negativ. Ich widerspreche dem, was Cem Özdemir und Christian Lindner gesagt haben, komplett“, so Grupe. „Im letzten Gespräch mit Ihnen (Kohlenberg und Ahlswede) haben Herr Limburg und ich deutlich gemacht, dass wir die Entscheidung der Regierung nicht gutheißen“, so Kellermann anschließend. Auch Reuter bezeichnete die Kommunikation der Bundesregierung nach außen hin als „schlecht“. Nach einigen Sätzen des Austausches bedankten sich sowohl Politiker als auch Demonstranten für das Gespräch. „Wir danken auch für eine friedliche Demonstration. Manche Mitarbeiter der diversen Fraktionen sprachen davon, heute Angst gehabt zu haben, zur Arbeit zu kommen. Danke, dass es hierfür keinen Anlass gab“, so Klaus-Dieter Bollmann (Grüne).
Fotos: zir