Holzminden (haa). „Die Jugendlichen sind politisch sehr interessiert", betont Kathrin Ludwig, Teamleiterin des Vereins „Politik zum Anfassen“. Der gemeinnützige Verein und das Jugendzentrum Holzminden luden am vergangenen Dienstag zu einer Politikveranstaltung ein, die Jugendliche zum Mitmachen anregte.
Mitten im Raum war ein Escape-Room mit Hinweisen auf knifflige politische Fragen aufgebaut. Die Jugendlichen hatten die Möglichkeit, auf spielerische Weise mehr über die Politik und die Demokratie zu erfahren. Zudem gab es ein „Memory-Spiel“, bei dem Aussagen zu einem wichtigen Begriff der Demokratie zugeord.net werden mussten. So wurden Begriffe wie Opposition und Verhältniswahl, durch die Erinnerung an das Gesellschaftsspiel aus der Kindheit, geklärt. Eine Teilnehmerin schilderte: „Die Veranstaltung ist sehr informativ und lehrreich.“
Um den Meinungen der Jugendlichen auch Gehör zu verschaffen, konnten sich die Besucher zu gewissen Themen positionieren. Zum Beispiel bei der Frage „Welche Prioritäten soll Deutschland in der Klimapolitik setzen?“ oder „Soll es ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr geben?“.
Der Verein „Politik zum Anfassen“ möchte die Selbstwirksamkeit der Kinder und Jugendlichen fördern. Dazu besuchen sie Schulklassen und führen Planspiele mit den Schülern durch, bei denen diese in die Rollen der politischen Verantwortlichen schlüpfen und eigene Ideen miteinbringen können.
Ludwig erklärt: „Wir wollen die Partizipation fördern. Wenn sie realisieren, dass es dabei um sie geht, wird das Interesse der Schüler sofort geweckt.“
Schon im Kindergarten engagiert sich der Verein mit einer „Demokratiesafari“ und versucht, den Kindern die Politik näherzubringen. Bis ins junge Erwachsenenalter kümmert sich der Verein um die Vermittlung von Werten und Rechten der Demokratie – zum Beispiel des Grundgesetzes und der Kinderrechte.
Die anstehenden Bundestagswahlen beeinflussen auch die jungen Menschen unter uns. Politik sei im Jugendzentrum unter den Jugendlichen auch vorab schon ein großes Gesprächsthema gewesen.
Daher kamen Julia Rentziehausen, Kinder- und Jugendbeauftragte, und Mitarbeiter des Jugendzentrums Thomas Weßler auf die Idee, mit dem Verein Politik zum Anfassen zu kooperieren und das Thema Wahlen und Politik spielerisch aufzugreifen. Die in Teilen schwierige Politik eine Leichtigkeit wiederzugeben - ohne Frontalunterricht wie in der Schule, sondern mit interaktivem Lernen: Wie funktioniert überhaupt Politik, und wie kann sich der jugendliche Bürger einbringen?
Das Jugendzentrum selbst entwickelte ein „Jugend Wahl-O-Mat Lite“, welches sich speziell auf kinder- und jugendgerechte Themen fokussierte. Die Besucher konnten sich dabei eine bestimmte Aussage aus dem Wahlprogramm der etablierten Parteien aussuchen und auf der Rückseite nachlesen, welche Partei hinter der Aussage steckt.
Die Sinus-Jugendstudie aus dem Jahr 2024 zeigt deutlich, dass junge Menschen politisch interessiert sind, aber dennoch nicht genügend informiert, um sich politisch zu engagieren. Viele seien zwar auf Bundesebene für das Wahlrecht ab 16 Jahren, empfinden sich selbst aber als nicht kompetent genug. Dies führe zu einem Gefühl von Machtlosigkeit, ein Gefühl nicht gehört zu werden. Genau deswegen seien laut Ludwig Veranstaltungen wie diese von großer Bedeutung. „Die Jugendlichen sind auf jeden Fall politisch interessiert. Es gilt, einen Weg zu finden, dieses Interesse auch zu fördern“, so Ludwig.
Die jugendlichen Teilnehmer seien besorgt, was den Rechtsruck in Deutschland betrifft. Die Social-Media-Plattformen würden dazu beitragen, dass immer mehr Jugendliche mit rechtem Gedankengut in Kontakt kommen.
„Es werden teilweise Ausschnitte von Bundestagsreden aus dem Kontext gerissen oder falsche Inhalte erstellt“, meint eine Teilnehmerin. Die sozialen Medien seien daher auch gefährlich und es sei wichtig, selbst gut informiert zu sein. Bezüglich des Wahlrechts ab 16 Jahren sind die meisten Jugendlichen, die an der Veranstaltung teilnahmen, eher dagegen. In dem Alter würde es vielen noch an der persönlichen Reife und dem ausreichenden politischen Wissen fehlen. Sie fänden es gut, dass sich der Bürger, bis er volljährig ist, noch mit der deutschen Bundespolitik auseinandersetzen kann, bevor es dann zum Wählen geht.
Zu den Gästen gehörten auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Schraps und der Bürgermeister der Stadt Holzminden, Christian Belke. Beide betrachten die Veranstaltung als sehr wertvoll. „Die Jugendlichen sind nicht politikverdrossen“, empfindet Schraps. Es sei ihnen wichtig, das Signal nach außen zu senden, für die Jugendlichen ansprechbar und offen für politische Fragen zu sein. Dass so viele Jugendliche die Veranstaltung besuchen, freue sowohl Belke und Schraps als auch die Verantwortlichen.
Fotos: haa