Holzminden (r). Was bedeutet die Digitalisierung für die Immobilienwirtschaft? Welche Bereiche verändern sich? Und wie können Unternehmen diese Veränderungen aktiv mitgestalten? Norman Meyer, Leiter Digitale Geschäftsmodelle bei der Drees & Sommer SE in Stuttgart, beantwortete diese Fragen beim fünften Personalmanagementkongress „Practice meets Campus“ an der HAWK in Holzminden. Die Veranstaltung bietet Firmen und Studierenden der Immobilienwirtschaft die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und sich fachlich auszutauschen. Gesprächsstoff liefert die Keynote zu Beginn des Events, die traditionell ein aktuelles Thema der Branche in den Blick nimmt – in diesem Jahr: digitale Geschäftsmodelle. Zuvor begrüßte Dekan Dr. Ulrich Hundertmark das Publikum im Lichthof der Fakultät und übergab das Wort zur Moderation an die Projektleiterin und Initiatorin des Kongresses, Prof. Dr. Susanne Ertle-Straub.
Blick in die Zukunft: die Immobilienbranche im Jahr 2058
Norman Meyer stellte in seiner Keynote drei Thesen auf, wie die Branche in 40 Jahren aussehen könnte: modulare Bauweise von Häusern, Selbstverwaltung der Gebäude mittels DTL und Mietzahlung mit Daten statt Euros. Um diese Thesen zu realisieren, müssen heute die Weichen gestellt werden – auch und besonders im Bereich der Digitalisierung. Sie zählt zu den Megatrends der Branche und wird als sehr relevantes Handlungsfeld wahrgenommen. Allerdings fehlt es an Digitalisierungsstrategien und Fachkräften, die sie umsetzen. Ein Problem dabei ist die intransparente Datenstruktur und die mangelnde Datenqualität. „Die Datenmenge in einen sauberen Datenstrang zu bringen, ist die Herausforderung“, so Norman Meyer.
Um Wege dafür zu etablieren, seien neue Denkweisen, sogenannte Mindsets, notwendig, vor allem solche, die die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt rücken. Dabei könnten Unternehmen vor allem von der Zusammenarbeit mit Start-ups profitieren, meint Norman Meyer: „Bestehende Strukturen hinterfragen, querdenken und den Mut haben, auch mal mit einer ‚80-Prozent-Lösung‘ an den Markt zu gehen und sie dort auszuprobieren – diese Mentalität hilft bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.“
Drei digitale Geschäftsmodelle hat Drees & Sommer bereits etabliert: Der Asset Check ist ein Online-Schnellanalysetool für Investmentimmobilien. Der Building Material Scout ist eine Zertifizierungsplattform für nachhaltige Baustoffe. Das Werkzeug LCM Digital verknüpft Lean Construction Management (LCM) und Building Information Modeling (BIM) miteinander auf einer digitalen Plattform. Allen Modellen gemein ist die Zusammenführung von Daten. „Die wesentliche Herausforderung ist, unterschiedliche Datensysteme und deren Aufbereitung über Schnittstellen in eine Datenbank zu speisen“, fasst Norman Meyer zusammen. „Und das ohne die bestehenden Modelle abzuschalten.“
Kann sich die Branche selbst disruptieren?
Das Projektmanagement ist anfällig für sogenannte disruptive, also zerstörerische Auswirkungen durch die Digitalisierung. Allerdings sieht Norman Meyer keine Gefahr, dass sich die Branche selbst wegrationalisiert: „Die Arbeitsbereiche werden sich verschieben. Es geht darum, sich als Unternehmen clever weiterzuentwickeln und neue Wege zu gehen, bevor andere es tun.“
Ähnlich denkt auch Frederik Walbaum, Senior Asset Management Analyst bei Jones Lang LaSalle (JLL): „Unsere Entwicklung geht in Richtung IT-Unternehmen mit Fokus auf Immobilien. Es wird darauf ankommen, die Datenmengen, die wir haben und generieren, möglichst smart zu nutzen.“ Seine Kollegin Rebecca Froehlich ergänzt: „Als Unternehmen muss man vorausdenken, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben und für Bewerber attraktiv zu sein.“
Hochschulabsolventen gegen den Fachkräftemangel
Diese Entwicklungen stellen auch neue Herausforderungen an die Bewerber und Bewerberinnen und an diejenigen, die sie ausbilden. Norman Meyer sieht hier die Vermittlung von bestimmten Denk- und Herangehensweisen als wesentlichen Punkt: „Hochschulen sollten ihre Studierenden bewusst dazu herausfordern, auch einmal anders zu denken. Beim Design Thinking steht die Frage im Mittelpunkt, welche Lösungswege aus Sicht meines Kunden sinnvoll sind und wie ich Produkte für ihn angenehmer machen kann. Auch Kreativ-Workshops liefern gutes Handwerkszeug für neue Mindsets.“
Malte Rosenboom hat an der HAWK in Holzminden Immobilienwirtschaft studiert und arbeitet heute bei der Deutschen Hypo im Bereich Real Estate Investment Banking. „Eine wichtige Ergänzung im Repertoire zukünftiger Fachkräfte ist sicherlich der Umgang mit Datenbanksystemen und Programmiersprachen. Die Herausforderung wird sein, einerseits die daraus resultierenden neuen Analyseansätze zu nutzen, andererseits aber auch stets potentielle Erkenntnisgewinne auf ihre Aussagekraft für die Immobilienwirtschaft kritisch zu hinterfragen. Als HAWK-Absolvent habe ich den Vorteil eines interdisziplinären Studiums, in welchem ich viele verschiedene Bereiche kennengelernt habe, die ich nun miteinander verknüpfen kann.“
Prof. Dr. Susanne Ertle-Straub schätzt die Anregungen aus der Praxis sehr: „Wir nutzen den Austausch mit den Unternehmen, um unser Studienangebot an die Anforderungen des Arbeitsmarktes anpassen und so unsere Studierenden bestmöglich auf ihr Berufsleben vorbereiten zu können.“
Foto: Katharina Lange