Holzminden (r). Wenn Papa „Schule machen muss“, dann muss das gemeinsame Spielen erstmal warten. Aber meist nur bis zum nächsten Tag. Denn die Balance zwischen Studium und Familie, zwischen Studium und Beruf, ist Philipp Garbe sehr wichtig. Dadurch werden seine Tage oft lang und anstrengend, aber das lohnt sich.
Philipp Garbe studiert Betriebswirtschaftslehre – wie etwa 240.000 andere in Deutschland. Aber der 31-Jährige gehört zu den nur rund drei Prozent, die dafür den sogenannten dritten Bildungsweg einschlagen. Das heißt, Philipp Garbe hat seine Hochschulzugangsberechtigung über berufliche Qualifikation erlangt. Abitur hat er nicht, aber die Fachhochschulreife. Die Motivation zum Studium kam von ihm selbst: „Mein Ziel ist, mich mit dem Bachelorabschluss für eine höhere Position mit mehr Verantwortung zu qualifizieren.“ Vor Beginn seines Studiums hat Philipp Garbe fünf Jahre Berufserfahrung gesammelt. Zurzeit arbeitet er im Landkreis Holzminden bei einem Betrieb mit insgesamt rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Sorge, dass er es im Studium durch das fehlende Abitur schwerer haben könnte, hatte der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann nicht. „Ich sehe keinen Nachteil darin“, meint er. „Zwar können sich Kommilitonen mit einer Aufstiegsfortbildung wie zum Beispiel dem Handelsfachwirt grundsätzlich einzelne Leistungen auf das Studium anrechnen lassen, aber ich befinde mich ganz normal in der Regelstudienzeit und bin mir sicher, dass ich das Studium in den vorgesehenen neun Semestern abschließen werde.“
Die größte Herausforderung: das Zeitmanagement
Philipp Garbe studiert Betriebswirtschaft berufsbegleitend an der HAWK in Holzminden. Der Online-Studiengang bietet ihm die optimalen Bedingungen, um das Studium neben dem Vollzeit-Job absolvieren zu können. Die Online-Vorlesungen besucht er von zuhause aus, für die monatlichen Präsenzveranstaltungen muss er von seinem Wohnort im Landkreis Holzminden aus nicht weit fahren. So gelingt das Zeitmanagement am besten. „Das ist für mich die größte Herausforderung“, verrät der zweifache Vater. „Familie und Beruf mit dem Studium so unter einen Hut zu bringen, dass sich keiner zurückgesetzt fühlt. Ohne den Rückhalt meiner Familie, besonders von meiner Frau, würde ich das nicht schaffen. Natürlich muss man lernen und sich dazu immer wieder selbst motivieren, das ist klar. Aber das ist im Grunde Fleißarbeit.“
Und das Lernen macht ihm richtig Spaß. „Das liegt vor allem an den Dozenten“, berichtet Philipp Garbe. „Sie bringen den Stoff sehr gut rüber und schaffen es, dass man ihnen gerne zuhört. Dadurch werden auch trockene Fächer, zum Beispiel Buchführung, nicht langweilig.“ Was er im Studium lernt, kann er direkt im Job anwenden: „Die Brown-Paper-Session zum Beispiel, eine Methode des Prozessmanagements, konnte ich bereits selbst nutzen und damit Kollegen helfen.“ Auch in rechtlichen Fragen fühle er sich sattelfester und habe dadurch Vorteile im Arbeitsalltag.
Gut die Hälfte seines Studiums hat Philipp Garbe bereits geschafft, und sein Ziel hat er nach wie vor fest vor Augen. Mit dem Studienabschluss möchte er aufsteigen, am liebsten in eine Position im strategischen Einkauf. Auch Vertragsverhandlungen reizen ihn. Seine Chancen schätzt er gut ein – auch ohne Abitur. „Es spricht für meine Einsatzbereitschaft und meinen Arbeitswillen, dass ich mich selbstständig weiterqualifiziere“, sagt er. „Und wenn ich den Abschluss erstmal habe, fragt keiner mehr danach, ob ich Abitur habe oder nicht.“
Wege ins Studium
Das Abitur ist längst nicht mehr der einzige Weg, um studieren zu können. Auch mit einer Ausbildung und anschließender Berufspraxis kann die allgemeine oder die fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung erlangt werden. Die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung erreichen Absolventinnen und Absolventen einer Aufstiegsfortbildung, etwa zum/zur Meister/in oder zum/zur Fachwirt/in. Mit diesem Titel können sie jede Fachrichtung studieren, unabhängig von ihrer fachlichen Qualifikation. Die fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung kann über die sogenannte 3+3-Regel erlangt werden. Dazu müssen eine dreijährige anerkannte Berufsausbildung und drei Jahre einschlägige Berufspraxis absolviert werden. Danach sind Studieninteressierte zu einem Studium berechtigt, das ihrer Ausbildung und Berufserfahrung fachlich nahe ist.
Den Einstieg ins Studium erleichtern Vorbereitungskurse, zum Beispiel für Mathematik. Gefördert vom Land Niedersachsen, bietet die Offene Hochschule Niedersachsen solche Kurse kostenfrei an: www.offene-hochschule-niedersachsen.de/ohn-kursportal
Foto: HAWK