Holzminden (red). Das Internet ist für Schüler/innen längst zu der wichtigsten Informationsquelle geworden. Ob Recherchen zur Unterrichtsvorbereitung oder der Austausch mit Freunden zu Hausaufgaben über Online-Plattformen – für die Mehrheit der Schüler/innen ist die Nutzung des Internets nicht mehr wegzudenken.
Dass gerade auch Schulen im ländlichen Raum Südniedersachsens von den Web 2.0-Angeboten profitieren können, darin sind sich das Zukunftszentrum Holzminden-Höxter (ZZHH) an der HAWK und die Partner im Modellprojekt „Attraktivitätssteigerung dualer Berufsausbildung in ländlichen Räumen durch digitale Lernszenarien“ Partner sicher. Mit dem sogenannten Blended Learning werden Präsenzlehre und Onlinelehre miteinander kombiniert. Durch gezielten Medieneinsatz soll das Blended Learning ein selbstgesteuertes, zeit- und raumunabhängiges Lernen der Schüler/innen ermöglichen.
Seit Beginn des neuen Schuljahres lernen die Projektklassen im Beruf der Groß- und Außenhandelskaufleute der BBS Duderstadt und der Georg-von-Langen Schule in Holzminden auch im Blended Learning Format. Angewendet wird dieses Lernformat in einem Lernfeld, das Schülerinnen und Schüler gesamt- und weltwirtschaftliche Zusammenhänge näher bringen soll: Chancen und Risiken von Kooperationen, Markt und Markformen, volkswirtschaftliche Produktionsfaktoren, fiskal- und geldpolitische Instrumente sowie wirtschaftspolitische Ziele werden nun online und im Klassenraum mit unterschiedlichen digitalen Lernformen erklärt, diskutiert und der Kompetenzgewinn geprüft. Dafür wurde im ersten Jahr seit Projektstart von den Lehrkräften der beiden Schulen mit Unterstützung des Instituts für Lerndienstleistungen der FH Lübeck eigens neues digitales Lernmaterial entwickelt.
Das Projektteam möchte mit diesem professionell entwickelten Online-Lernmaterial selbstgesteuertes und praxisorientiertes Lernen fördern und digitale Kompetenzen vermitteln. Damit soll die duale Berufsausbildung attraktiver gestaltet und der Ausbildungserfolg erhöht werden. Gleichzeitig sehen die Organisator/inn/en die Chance, die Berufsbildenden Schulen trotz demografischen Wandels an den einzelnen Standorten wohnort- und betriebsnah zu stärken.
Ob die Digitalisierung in der beruflichen Ausbildung den Erwartungen stand hält beurteilen nicht zuletzt die Schülerinnen und Schüler des Ausbildungsjahrgangs: Sie wurden vor Start der digitalen Lernphase erstmals zu ihren Erwartungen befragt und werden nun in regelmäßigen Abständen ihre Erfahrungen in die Begleitforschung zum Projekt einbringen, ebenso wie die unterrichtenden Lehrer und die Betriebe der Auszubildenden. So sagte eine Schülerin: „Am Anfang war es etwas ungewohnt. Wenn man aber erst mal drin ist, erkennt man die Möglichkeiten. Ich bin dann z. B. nicht mehr an Zeit und Ort gebunden.“ Ein Mitschüler denkt eher kritisch an die Infrastruktur: „Das Projekt stellt ein paar Anforderungen an Hardware und Internetzugang. Bei mir auf dem Dorf ist die Netzabdeckung leider ziemlich schlecht.“
Insgesamt freuen sich die Schülerinnen und Schüler auf die neue Lernerfahrung: „Mir macht das Arbeiten mit Computer oder Tablet Spaß. Eine Webkonferenz habe ich sogar mit dem Handy gemacht. Ich finde es aber auch gut, wenn man dann nach einer Onlinephase wieder den Lehrer und die Mitauszubildenden ganz persönlich vor sich hat“, sagt eine dritte Schülerin aus der Projektklasse.
Das Konzept des Blended Learnings sieht ausdrücklich vor, dass sich Präsenz- und Onlinephase abwechseln und der persönliche Kontakt der Schülerinnen und Schüler auch in Onlineforen gestärkt wird. Daneben werden Videos und interaktive Techniken in den Unterricht integriert: Damit bekommt der Alltag des Betriebs auch eine stärkere Präsenz im Unterricht.
Entwickelt wurde das Vorhaben vom Zukunftszentrum Holzminden-Höxter (ZZHH) an der HAWK in Holzminden, den Berufsbildenden Schulen Duderstadt und Holzminden, den Industrie- und Handelskammern Hildesheim und Göttingen, der Fachhochschule Lübeck sowie dem Projekt Duderstadt 2020. Es wird im Rahmen der Richtlinie zur Förderung innovativer Bildungsprojekte in der beruflichen Erstausbildung des Kultusministeriums, aufgenommen in den Südniedersachsenplan, gefördert.
Die Ergebnisse des Modellprojekts werden im Sommer 2018 vorliegen. Zum Ende der Pilotphase digitaler Lehre im März 2018 wird das Projektteam um das Zukunftszentrum Holzminden-Höxter alle bundesweit mit digitaler Lehre in der beruflichen Bildung tätigen Akteure zu einer Konferenz an die HAWK nach Holzminden einladen. Projektleiterin Prof. Dr. Alexandra Engel zieht eine Zwischenbilanz: „Die Lehrer haben unglaublich viel Arbeit, Herz und didaktische Kompetenz in die Entwicklung des digitalen Lernfelds gesteckt und wir können in dieser Pilotphase als Forschende systematisch erfassen, welche Arbeitsprozesse notwendig sind und unter welchen Bedingungen digitale Lehre zum Alltag in berufsbildenden Schulen werden kann. Die Lehrer haben ihren großen Anteil der Arbeit im Projekt geleistet: Nun liegt es an unserem Projektteam, mit allen Partnern Konzepte für eine dauerhafte Implementierung digitaler Lernszenarien zu entwickeln.“
Foto: Gerrit Klinge