Holzminden (red). Hochschulstudium und Berufsausbildung kombinieren – da denkt man in der Regel als erstes an ein duales Studium. Aber es geht auch anders: Jordis Multhaup und Johan Augustin studieren Betriebswirtschaft berufsbegleitend an der HAWK in Holzminden und haben zeitgleich eine Ausbildung zur Industriekauffrau bzw. zum Industriekaufmann absolviert. Damit haben sie einen Sonderweg gewählt, der Ausbildung, Studium und Berufstätigkeit individuell miteinander verbindet.
Jordis Multhaup hat sich in ihrem letzten Ausbildungsjahr an der HAWK eingeschrieben. „Für mich war schon während der Ausbildung klar, dass ich noch ein Studium anschließen möchte“, berichtet die 22-Jährige. Mit ihrem Wirtschaftsabitur wäre das auch direkt möglich gewesen. Aber ein Vollzeitstudium kam für sie nicht infrage: „Ich wollte weiterarbeiten und mir hätte der Praxisbezug gefehlt. In der Ausbildung kann man Gelerntes direkt anwenden. Das geht in meinem Studium auch, und ich merke, je weiter ich komme, desto besser verstehe ich Zusammenhänge im Job.“
Studienbeginn im letzten Ausbildungsjahr
Auf den Teilzeit-Studiengang an der HAWK wurde Jordis Multhaup durch einen Lehrer an ihrer Berufsschule aufmerksam. Das Vor-Ort-Angebot überzeugte die gebürtige Holzmindenerin und sie entschied, das Studium schon parallel zu ihrer Ausbildung aufzunehmen. „Lernen fiel mir glücklicherweise immer leicht, darum habe ich mir das zugetraut“, erklärt sie. Während der Abschlussprüfungen habe sie die Doppelbelastung jedoch besonders gefordert. „Zwei Tage vor den Prüfungen des zweiten Semesters hatte ich meine mündliche Abschlussprüfung“, erinnert sich Jordis Multhaup. „Da haben die Noten im Studium schon etwas gelitten. Aber ich dachte mir, es gibt ja noch sieben weitere Semester, und seit meinem Abschluss habe ich meine Studienleistungen auch deutlich verbessert.“ Heute arbeitet Jordis Multhaup in der Abteilung Flavor Sales EAME (Europe, Africa, Middle East) ihres Ausbildungsbetriebs Symrise, einem internationalen Global Player der Aroma- und Duftstoffindustrie. Parallel studiert sie nun schon im vierten Semester. „Das klappt gut, weil das Studium zum großen Teil online stattfindet und die Lehrveranstaltungen aufgezeichnet werden. Wenn mir nach einem langen Arbeitstag die Konzentration für die abendliche Vorlesung fehlt, kann ich das nacharbeiten.“
Studium und Ausbildung parallel
Johan Augustin startete ins Studium, bevor er mit der Ausbildung begann. Nach dem Abitur nahm er sich ein Jahr Zeit, um sich zu orientieren: „Ich wollte studieren, aber mit Praxisbezug. Da wurde der berufsbegleitende BWL-Studiengang an der HAWK gegründet, und ich gehöre zum ersten Jahrgang.“ Während des ersten Studienjahres absolvierte Johan Augustin ein Praktikum bei seinem späteren Ausbildungsbetrieb und heutigen Arbeitgeber Stiebel Eltron. Das Unternehmen ist auf Produkte aus den Bereichen Warmwasser, Raumheizung, Klima und erneuerbare Energien spezialisiert. Im dritten Semester begann Johan Augustin mit der Ausbildung zum Industriekaufmann. Die inhaltlichen Überschneidungen brachten für den 23-Jährigen Vorteile: „Was ich im Studium schon durchgenommen hatte, zum Beispiel Rechnungswesen, allgemeine BWL und Volkswirtschaftslehre, konnte ich in meiner Ausbildung anwenden.“ Umgekehrt habe auch die Ausbildung dem Studium vorgegriffen, etwa bei der Kosten- und Leistungsrechnung. „Ich hatte das Glück, oft nur einmal für zwei vergleichbare Themen lernen zu müssen. Wobei ich schon manchmal Inhalte wiederholen oder vertiefen musste.“ In den Prüfungsphasen sei es jedoch stressig geworden. „Meine Nächte waren in diesen Phasen oft kurz“, erinnert sich Johan Augustin. „Aber ich neige auch dazu, das Lernen aufzuschieben. Da kann man sich besser organisieren.“ Mittlerweile hat Johan Augustin seine Berufsausbildung abgeschlossen und arbeitet als Strategischer Einkäufer bei Stiebel Eltron. Im kommenden Semester schreibt er seine Bachelorarbeit. Dafür möchte er ein Thema mit seinem Arbeitgeber wählen. Dessen Entgegenkommen während des gesamten Studiums schätzt Johan Augustin sehr: „Wenn ich mal ein verlängertes Wochenende brauche, weil Präsenzveranstaltungen oder Prüfungen anstehen, ist das in der Regel kein Problem. Außerdem ist für meine Stelle ein abgeschlossenes Hochschulstudium Voraussetzung. Damit greift mein Arbeitgeber meinem Studienabschluss vor, ein großer Vertrauensbeweis.“
Persönlicher Erfolg und starker Wille als Antrieb
Für welchen Weg man sich auch entscheidet: Ein berufsbegleitendes – oder ausbildungsbegleitendes – Studium erfordert Motivation und Selbstdisziplin. „Sich regelmäßig hinsetzen, Vorlesungen besuchen und den Stoff fürs Selbststudium bearbeiten, dafür braucht man einen gewissen Willen“, betont Johan Augustin. Aber wenn er mal ein Motivationstief habe, könne er sich darauf verlassen, dass ihn seine Kommiliton/inn/en, die alle dasselbe Ziel haben, mitziehen.
„Mir hilft das Wissen, dass ich das vor allem für mich mache“, meint Jordis Multhaup. „Auch, wenn ich beruflich noch keine konkreten Pläne für die Zeit nach meinem Abschluss habe, so öffnet er mir doch viele Türen – und das kann mir keiner mehr nehmen.“
Foto: HAWK