Hannover (red). Die Gesellschaft wird immer digitaler. Die zunehmende Digitalisierung stellt viele Menschen vor teils unlösbare Herausforderungen, wenn die Angebote nicht barrierefrei sind. Das bedeutet, dass sie oft nur schwer oder gar nicht zu bedienen sind. Durch digitale Barrieren werden viele Menschen ausgeschlossen: Beispielsweise können Menschen mit Sehbeeinträchtigungen Texte nur beschwerlich lesen, wenn sie den Kontrast oder die Textgröße nicht einstellen können. Menschen mit Hörbeeinträchtigungen können Inhalte von Videos ohne Untertitel kaum verstehen. An genau diesen Beispielen lässt sich erklären, warum die digitale Barrierefreiheit jedem Menschen zugutekommen kann: Die Variierung von Kontrasten und Textgrößen kann auch bei hellem Sonnenschein die Lesbarkeit fördern. Untertitel können auch helfen, in einer lauten Umgebung oder wenn der Ton andere Personen stören würde, Videos besser zu verstehen.
Spätestens ab morgen, den 23.09.2020, sind alle öffentliche Stellen in Bund, Ländern und Kommunen rechtlich verpflichtet, ihre Internetseiten barrierefrei zu gestalten. Dazu gehört eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf ihren Seiten. Darin wird erläutert, welche Teile der Internetpräsenz (noch) nicht barrierefrei sind und wann diese Barrieren beseitigt werden. Die europäische Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Webauftritten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (Richtlinie (EU) 2016/2102 vom 26. Oktober 2016) ist die Grundlage der landesrechtlichen Regelungen im Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG). Mobile Anwendungen öffentlicher Stellen müssen ab dem 23. Juni 2021 ebenfalls barrierefrei sein.
Im NBGG sind nicht nur die Verpflichtungen der öffentlichen Stellen verankert, sondern auch die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer: Wenn sie auf digitale Barrieren stoßen, können die Nutzerinnen und Nutzer mit der jeweiligen öffentlichen Stelle Kontakt aufnehmen und sich gegebenenfalls beschweren. Eine Kontaktmöglichkeit ist immer von der öffentlichen Stelle in der Erklärung zur Barrierefreiheit bereitzustellen. Wenn die Antwort nicht zufriedenstellend ist, haben Nutzerinnen und Nutzer das Recht, einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle zu stellen.
Diese Schlichtungsstelle für Niedersachsen ist bei der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen eingerichtet. Schlichtung bedeutet in diesem Sinne, Streitigkeiten über barrierefreie Informationstechnik zwischen Menschen mit Behinderungen und öffentlichen Stellen des Landes Niedersachsen beizulegen. Ein solches Schlichtungsverfahren ist für die Beteiligten kostenlos.
„Ich begrüße die Umsetzung dieser Richtlinie sehr! Webbarrieren behindern Teilhabe. Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Menschen mit Beeinträchtigungen unterschiedlichster Art das Internet genauso handhaben können, wie alle anderen Menschen auch. Alle Menschen müssen sich selbstbestimmt und gleichberechtigt in der digitalen Welt bewegen können", appelliert Petra Wontorra, Niedersächsische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen. Sie motiviert diejenigen, die noch von den rechtlichen Anforderungen ausgenommen sind, digitale Barrierefreiheit bereits jetzt auf freiwilliger Basis umzusetzen.