Liebe Mit-Eltern im Landkreis Holzminden, liebe interessierte Kreiseinwohner,

wir melden uns als Kreiselternrat (KER) des Landkreises Holzminden zu Wort. Im Kreiselternrat sind Elternvertreter aller Schulformen im Landkreis Holzminden vertreten. Der Kreiselternrat begleitet seit Jahren die Schulentwicklung im Landkreis und bringt relevante Aspekte aus Sicht der Eltern zur Sprache. Viele Eltern haben aktuell grundlegende Fragen zur Zukunft der Schulen. Fragen, die der Kreiselternrat Mitte Dezember an den Landkreis gerichtet hat und seither auf offizielle Antworten wartet. Eine Vielzahl der Eltern und Schüler, die vor der Entscheidung eines Schulwechsels auf eine weiterführende Schule stehen, hat dringenden Informationsbedarf. Der Kreiselternrat möchte zumindest die Informationen weitergeben, die ihm bekannt sind.

1. Warum müssen überhaupt Schulen geschlossen werden? Im Landkreis Holzminden sind die Schülerzahlen in den letzten Jahrzehnten stark gesunken. Es gibt mittlerweile sehr viele weiterführende Schulen mit relativ wenigen Schülern in kleinen Klassen, die in großen Gebäuden untergebracht sind. Die Schulgebäude wurden ursprünglich einmal für deutlich mehr Schüler gebaut, so dass viele Schulen heute nur noch einen Teil ihrer Gebäudeflächen nutzen. Auch nicht genutzte Räume müssen jedoch u.a. auch gereinigt und beheizt werden. Das kostet den Landkreis jedes Jahr sehr viel Geld, was an anderer Stelle sinnvoll eingesetzt werden könnte. Darüber hinaus gibt es im Landkreis marode Schulgebäude, mit einigen Räumen ohne Tageslicht, mit Räumen, in denen es durchregnet oder regelmäßig Putz von der Decke fällt. Die meisten unserer heutigen Schulgebäude entsprechen seit langem nicht mehr dem Stand der Technik und den Sicherheitsanforderungen an Schulräume, z. B. im Hinblick auf Brandschutz. Ein weiterer Aspekt ist die Unterrichtsversorgung. An fast allen Schulen im Landkreis fällt seit Jahren regelmäßig Unterricht aufgrund von Lehrermangel aus. Von Schulen, die noch einigermaßen versorgt sind, gehen Lehrer in sogenannter „Abordnung“ zur Unterstützung an besonders bedürftige Schulen. Das ist als Übergangsszenario eine schnelle und kollegiale Lösung, kann aber kein Dauerzustand sein. Der Landkreis Holzminden ist bei der Unterrichtsversorgung in ganz Niedersachsen seit Jahren Schlusslicht. Mit einer Konzentration vorhandener Lehrkräfte an weniger Schulstandorte kann eine wesentlich bessere Unterrichtsversorgung erreicht werden. Diese Fakten sowie die geographischen Besonderheiten des Landkreises führen dazu, dass 40 % der Schüler weiterführende Schulen außerhalb des Landkreises Holzminden besuchen. An allen Schulen wird – trotz der o.g. Umstände – hervorragende Arbeit geleistet. Die Lehrkräfte und viele andere Menschen engagieren sich sehr für die Interessen ihrer SchülerInnen und ihrer Schulen. Bei der Schulentwicklung des Landkreises geht es nicht vorrangig um Schulschließungen, sondern darum, gerechterweise allen SchülerInnen im gesamten Landkreis die gleichen Chancen für eine fundierte Bildung und damit für erfolgreiche Zukunftsperspektiven zu bieten.

2. Warum werden jetzt so schnell Entscheidungen getroffen? Die Diskussionen um eine grundsätzliche Neuordnung der Schulstruktur beschäftigt den Landkreis Holzminden schon seit mehr als zehn Jahren. 2013 wurde ein Schulentwicklungsplan von externen Fachleuten erarbeitet, im Jahr 2015 ein Gutachten über die Entwicklung der Schulstruktur im Landkreis erstellt, in dem die heutige Situation bereits prognostiziert wurde. Daraus folgten Gespräche mit Verantwortlichen und Beteiligten, die dann vermutlich wegen einschneidender Konsequenzen nicht weiter verfolgt wurden. Damals wurde schon festgestellt: ein Konzept mit weniger Schulstandorten wäre sinnvoll, allein die Schulqualität ist entscheidend, gute Schule ist nicht an den Standort oder gar an ein Gebäude gebunde. Der Schlüssel für gute, attraktive Schule sind gute, motivierte Lehrkräfte. Seither ist wenig passiert. Der „Sanierungsstau“ über alle Bereiche hat sich weiter zugespitzt, die Schülerzahlen gingen weiter zurück. Unserem Landkreis droht aufgrund seiner hohen Verschuldung eine Haushaltssperre, ein „Weiter so“ kann es nicht geben. Unabhängig von der Haushaltslage ist jeder Landkreis gesetzlich verpflichtet, bis 2024 die Schulen digital auszubauen (Digitalisierungspakt) sowie Inklusion und Barrierefreiheit umzusetzen. Daher ist nun ein guter Zeitpunkt, Entscheidungen zu treffen und endlich in die Tat umzusetzen.

3. Was wünschen sich die Eltern ? Wir Elternvertreter im Kreiselternrat setzen uns für Verbesserungen für alle SchülerInnen im Landkreis und für kommende Schülergenerationen ein. Wir wünschen uns: -optimale Unterrichtsversorgung für alle SchülerInnen in allen Fächern (auch Nebenfächern) - ein vielfältiges Betreuungs- und AG-Angebot - gute und zeitgemäße Ausstattung unserer Schulen - attraktive Schulen für Schüler und Pädagogen - ein wertschätzendes Lern- und Arbeitsumfeld - sichere Schulgebäude - gute Erreichbarkeit (Barrierefreiheit und sichere Schulwege) - gute Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) - gerechte und gleiche Bildungschancen für alle Schüler im Landkreis - gute Schulen in Wohnortnähe - Wahlmöglichkeit aus vielen Schulformen innerhalb des Landkreises - Verlässlichkeit für die Zukunftsplanung der Schulen ###Seit vielen Jahren wünschen sich Eltern eine moderne, gut ausgestattete Gesamtschule (IGS) als hochwertiges Bildungsangebot, als Ort guten gemeinsamen Lernens und Zusammenlebens. Dieses wäre eine echte Bereicherung der Wahlmöglichkeiten in Hinblick auf die Schulformen im Landkreis. Im Zuge der Neustrukturierung der Schullandschaft könnte dieser Meilenstein endlich umgesetzt werden. 

4. Was wurde beschlossen ? Der Landkreis möchte bei sinkenden Schülerzahlen nur wirklich benötigte Gebäude sinnvoll sanieren, neu bauen und digitalisieren, um so laufende Kosten zu senken. Schülerströme sollen gelenkt und planbar gemacht werden. Der Abwanderungstrend der kreiseigenen Schülerschaft zu Schulen außerhalb des Landkreises soll nicht weiter subventioniert werden. Deshalb sollen die Schulen in den Randlagen gestärkt werden. In der Kreistagssitzung am 14.12.2021 kam es zu einem Beschluss zur zukünftigen Schulstruktur im Landkreis Holzminden. Hier wurde (mit einer Mehrheit aus SPD, CDU und UWG) beschlossen:

1) Aus der OBS Bevern, der HRS Eschershausen und der OBS Stadtoldendorf entsteht eine neue, zentrale Sekundarschule mit gymnasialem Zweig. Das pädagogische Konzept und die Schulform für diese Schule werden von einer eigens dafür einberufenen Kommission (mit Elternbeteiligung) erarbeitet. Basierend auf diesem Konzept entscheidet der Kreistag spätestens im 2. Quartal 2021 über Schulform, Raumplanung und Standort. 

2) Die OBS Bodenwerder bleibt zweizügig erhalten. Auf Grundlage des bestehenden pädagogischen und didaktischen Konzeptes und der Schwerpunktsetzung „digitale Schule“ werden moderne Räumlichkeiten geschaffen. 

3) Die OBS Delligsen bleibt erhalten. In Delligsen entsteht ein Neubau für eine zweizügige Oberschule für drei Jahrgänge in Verbindung mit der Grundschule Delligsen. Sie soll zum Schulverbund Delligsen/Duingen gehören.

4) Die Oberschule Holzminden bleibt erhalten. Die Fertigstellung des Neubaus einer dreizügigen Oberschule erfolgt zum Sommer 2021.

5) Die Förderschule Geistige Entwicklung wird nach Eschershausen umziehen. In den Räumlichkeiten der Haupt- und Realschule Eschershausen entsteht ein „Zentrum für Inklusion“. Dazu zählt die Förderschule Geistige Entwicklung, zwei Sprachheilklassen, das Regionale Zentrum für Inklusion (RZI), der Mobile Dienst ES, das Büro der Bildungsregion, die Schulpsychologen und die Erziehungsberatungsstelle. Zur Erarbeitung des Raumkonzeptes für das Gebäude der jetzigen HRS und einem Anbau wird eine Kommission gebildet. - Für die zukünftigen Schulbaumaßnahmen soll ein Projektsteuerer beauftragt werden. - Es werden Schulbezirke eingerichtet. Für das Campe-Gymnasium Holzminden und für die HRS Eschershausen ist dies der gesamte Landkreis. Für die Oberschulen entsprechen die Schulbezirke den (Samt-)Gemeindegrenzen. Es gibt Ausnahmen. - Die Schülerbeförderung wird nur noch bis zur nächstgelegenen Schule im Landkreis erstattet (die bisher geltende 30km-Regel wird gekippt). Für aus dem Landkreis auspendelnde Schüler gibt es nur noch eine Fahrtkostenerstattung maximal in Höhe der Kosten zur nächstgelegenen Schule im Landkreis Holzminden (selbe Schulform). Der genaue Wortlaut der Beschlüsse kann von jedem öffentlich über das Kreistagsinformationssystem auf der Internetseite www.landkreis-holzminden.de eingesehen werden. Die vorgenannten Beschlüsse werden aktuell auf ihre baulichen Umsetzungsmöglichkeiten überprüft. Wichtigste Priorität muss es sein, angemessene Räumlichkeiten für die Förderschule (Schwerpunkt Geistige Entwicklung) zu finden und einzurichten, hier besteht dringender Handlungsbedarf.

5. Was ändert sich für mein Kind und ab wann? Für Schülerinnen und Schüler, die bereits jetzt weiterführende Schulen besuchen, ändert sich nichts. Sie erhalten wie bisher ihre Bus-/ Bahnfahrkarten vom Landkreis kostenlos zur Verfügung gestellt. Für Schülerinnen und Schüler, die ab dem kommenden Schuljahr von der Grundschule in Klasse 5 auf eine weiterführende Schule wechseln, sind von folgenden Änderungen betroffen: Zum neuen Schuljahr gibt es nun für alle Schulformen im Landkreis Schulbezirke. Jedem Wohnort wird je Schulform eine festgelegte Schule zugeordnet. Es besteht jedoch trotzdem freie Schulwahl. Eltern der Schülerinnen und Schüler, die sich für den Besuch einer Schule außerhalb dieser Bezirke sind dann jedoch für den Transport zur Schule und zurück selbst verantwortlich. Es gibt Ausnahmeregelungen, die Betroffene im konkreten Fall beim Landkreis Holzminden, Bereich Bildung und Kultur erfragen können. 

6. Wie geht es jetzt weiter? Nach langem Hin und Her wurde Ende letzten Jahres endlich eine Lösung gefunden, die auch politisch mehrheitsfähig ist. Die Umsetzung der Beschlüsse fängt jetzt erst an, aber auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt! Die Kommission für die neue Schule („Nordschule“) wird noch im Februar ihre Tätigkeit aufnehmen, die Projektsteuerung muss jetzt so schnell wie möglich beauftragt werden. 

Bis die neue Schule fertiggestellt ist, wird es eine unbequeme Übergangsphase geben - doch es entsteht etwas neues Großes. Durch die Umstrukturierungen ergeben sich Chancen und der Landkreis erhält damit eine zukunftsfähige Schullandschaft. Wir möchten alle Beteiligten bitten, den Blick nach vorne auf das Gute zu lenken. Natürlich fordert dieser Kompromiss von allen, auch von uns Eltern, ein Umdenken und deutliche Zugeständnisse. Aber wir sind bereit, einer guten Gesamtlösung unsere Bedenken unterzuordnen. Manche Probleme sind zu groß, um im Kleinen gelöst zu werden. 

Wir Eltern hoffen, dass die gute Arbeit, die bisher an allen Schulen gemacht wurde, gebündelt und auch am neuen Standort weitergeführt wird. Erfahrene Pädagogen und Mitarbeiter mit guten Ideen werden benötigt, um Neues mit zu gestalten. Alle sollten sich bei der Entwicklung der neuen Schule einbringen dürfen und sich später darin wiederfinden können. Wir fordern eine permanente Beteiligung der Elternvertreter und aller anderen Betroffenen bei den weiteren Entscheidungen. Wir stehen an einem Wendepunkt in der zähen Geschichte der Schulpolitik im Landkreis Holzminden. Wir als Elternvertreter im Kreiselternrat sehen den Schulfrieden in greifbare Nähe gerückt! 

Der Kreiselternrat des Landkreises Holzminden

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