Holzminden/Würgassen (red). Vor einem Jahr, am 6. März 2020, hat die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) in einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass sie das Gelände des ehemaligen Atomkraftwerks Würgassen für ein zentrales Atommüll-Zwischenlager ausgesucht hat. „Diese Nachricht hat viele Menschen im Dreiländereck von Ostwestfalen/Nordhessen/Südniedersachsen schockiert“, sagt Gerd Henke, Vorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Holzminden. „Doch offenbar haben die BGZ und das Bundesumweltministerium nicht mit dem entschlossenen Widerstand der Menschen vor Ort gerechnet“, so Henke. Mit vielen Aktionen und Protestveranstaltungen hätten die Menschen klar gemacht, „dass sie das von Politik und Energiewirtschaft vor über 20 Jahren gegebene Versprechen, dass das Akw-Gelände wieder eine „grüne Wiese“ werden soll, endlich eingelöst sehen wollen“.
Dass sie die breite Ablehnung der BGZ-Pläne durch die Bevölkerung in der Region nach Kräften unterstützen, haben mehrere Politikerinnen und Politiker von Bündnis 90/Die Grünen jetzt coronabedingt in einer Online-Konferenz klar gemacht. An der für alle offenen Konferenz nahmen mehr als 50 Interessierte teil. Der grüne Landtagsabgeordnete Christian Meyer berichtete über die klare Positionierung der Grünen in Niedersachsen. „Wir lehnen die willkürliche und hingetrickste Verfahren zur Standortauswahl Würgassen ab.“ Er berichtete, dass der niedersächsische Umweltminister sich rühme, einen Standort in Niedersachsen während der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD verhindert zu haben, aber vergessen habe, dass ein 200 Meter von der Landesgrenze entfernter Standort und die Straßen- und Schienenstrecken durch Süd- und Ostniedersachsen sehr wohl Gefahren für Niedersachsen auslösen. Meyer kritisierte vor allem, die Nähe zur Wohnbebauung in Beverungen und Lauenförde und die Gefahren für die Anwohner durch Unfälle oder Brände. Auch die geplanten Atommülltransporte durch Bad Karlshafen, Uslar, Lauenförde, Höxter und Holzminden kritisierte er fundiert.
Als ehemaliger Minister mit Zuständigkeit auch für die Raumordnung erläuterte Meyer, dass die BGZ sich nicht einfach über die ablehnende Entscheidung der Bezirksregierung Detmold zum Standort Würgassen hinwegsetzen könne. Christian Meyer: „Würgassen ist eine teure Fehlplanung auf Steuerzahlerkosten und muss sofort beendet werden.“
Petra Tewes, Ratsfrau in Beverungen, machte einmal mehr deutlich, auf welch tönernen Füßen einzelne Entscheidungskriterien der BGZ stehen. Ein von der BI in Auftrag gegebenes Gutachten habe ihre Argumentation noch gestützt und erhärtet. Für die Gutachter ist der geplante Standort willkürlich ausgewählt und rechtswidrig. Kurz: „Der Standort ist nicht tragbar.“ Völlig unerklärlich sei „wie einfach sich die BGZ über die Vorgaben des Regionalplanes hinwegsetzen will“, so Tewes. Die Grünen würden sich weiter dafür einsetzen, dass das Kraftwerksgelände als Energiestandort erhalten bliebe, um zukunftsträchtige Nutzungen zu ermöglichen. „Einen entsprechenden Antrag haben wir bereits eingereicht“, so Tewes.
Auch auf hessischer Seite sind sich die Grünen einig im Protest gegen ein Zwsichenlager für mittel- und schwachradioaktive Abfälle in Würgassen. Dr. Thomas Gudehus, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kasseler Kreistag, freute sich, „dass über die Ländergrenzen hinweg die Besorgnis über das Vorhaben geteilt wird. Der Kasseler Kreistag hat dazu schon im letzten Jahr nach Bekanntwerden der Planungen in einem einstimmigen Beschluss die Kritikpunkte deutlich formuliert.“
Das ist auch die Haltung im Landkreis Northeim: „Es sollte jeder Transport von atomarem Müll vermieden werden“, sagte Kreistagsabgeordnete Karoline Otte. „Wir müssen darüber reden, ob es ein zentrales Zwischenlager wirklich braucht. Das muss Teil einer transparenten Diskussion und Abwägung sein“, fordert die grüne Kandidatin im Bundestagswahlkreis Northeim.
Kritisch im Hinblick auf demokratische Grundregeln sieht Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag, das Vorgehen der BGZ. „Solche Planungen, die die atomare Entsorgung für ganz Deutschland betreffen, dürfen nicht von oben herab verordnet werden“, sagte Limburg. Da brauche es transparente Kriterien und ein offenes Verfahren, dass auch Alternativen aufzeige und zulasse. Limburg ist grüner Bundestagskandidat im Wahlkreis 46, der die Kreise Hameln-Pyrmont, Holzminden und die Gemeinden Uslar und Bodenfelde umfasst.
Die Holzmindener Grünen haben kürzlich in einem vierseitigen Schreiben die grüne Bundestagsfraktion und den Bundesvorstand auf die Brisanz des Themas Atommülllager Würgassen hingewiesen. Zudem hatten die Beverunger Grünen zusammen mit dem Vorsitzenden der Bürgerinitiative Atomfreies 3-Ländereck, Dirk Wilhelm, eine Initiative für eine parlamentarische Anfrage gestartet. „Dies beides ist in einer kritischen Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gemündet“, sagt Gerd Henke. Damit werde sich nun auch die Große Koalition in Berlin mit dem unsäglichen Vorgehen der BGZ in Sachen Würgassen auseinandersetzen müssen. Das verschaffe dem Dreiländereck und seinem Widerstand gegen die zentrale Atommülldrehscheibe Würgassen endlich auch Gehör in Berlin, so der Holzmindener Vorstandssprecher der Grünen: „Wir wollen die grüne Wiese und kein Atommülllager!“