Landkreis Holzminden (red). Wenn Kinder oder Jugendliche in ihrer eigenen Familie nicht den Rückhalt finden, den sie dringend brauchen, kann es besser sein, einen geeigneteren sozialen Ankerpunkt zu finden. Es ist Aufgabe des Pflegekinderdienstes im Landkreis Holzminden, in solchen Fällen entsprechende Lösungen zu finden. Doch das wird zunehmend schwieriger. Denn für eine Gast- oder Pflegeelternschaft braucht es mehr, als bloß guten Willen. Während der Bedarf in den letzten Jahren ständig gestiegen ist, nimmt die Bereitschaft, sich einer solch anspruchsvollen Herausforderung zu stellen, stetig ab. Dabei haben nicht nur die Kinder und Jugendlichen etwas von dem Engagement. ###„Immer wieder hören wir von Gasteltern, dass der Umgang mit ihren Schützlingen nicht nur anstrengend, sondern vor allem auch bereichernd gewesen sei“, sagt Lena Dewitz, die zusammen mit Jennifer Williams und Peter Kros das Gastelternprojekt in dem Bereich Besondere Soziale Dienste betreut. Das Gastelternprojekt ist dabei nur eines von drei Aufgabengebieten in dem Bereich. Insgesamt besteht das Team des Pflegekinderdienstes unter der Leitung von Benjamin Peters aus sieben Personen. Der Allgemeine Pflegekinderdienst ist für die Vermittlung der Allerkleinsten bis zum sechsten Lebensjahr verantwortlich. Das Gastelternprojekt kümmert sich um Kinder ab dem Schuleintrittsalter und Jugendliche. Bei dem dritten Bereich handelt es sich um die sogenannte Familiäre Bereitschaftsbetreuung, die Kinder und Jugendliche in akuten Notsituationen für einen begrenzten Zeitraum in einer anderen Familie unterbringt.
Speziell die von Kerstin Neu und Jennifer Williams zu organisierende Bereitschaftsbetreuung ist dabei als Akutmaßnahme im Coronajahr 2020 schon deutlich an ihre Grenzen gekommen. Denn für eine zeitweilige Unterbringung stehen gerade einmal elf Pflegefamilien zur Verfügung. 37 Mal wurden diese im letzten Jahr in Anspruch genommen, im Durchschnitt hatte sich also jede Familie um mindestens drei Kinder gekümmert. Mag auch die Tatsache, dass die Bereitschaft, sich mit so vielen unterschiedlichen durchaus nicht einfachen jungen Charakteren zu befassen, als ein Indiz für das wirklich vorbildliche Engagement der betreuenden Pflegefamilien anzusehen sein: Es hat bei weitem nicht gereicht. „Der Bedarf an Plätzen ist wesentlich höher gewesen“, erklärt Kerstin Neu, „aufgrund der schon vorgenommenen Belegungen war mehr aber einfach nicht drin.“ Als Konsequenz kommt, wenn keine Familie gefunden wird, nur noch eine kurzfristige Heimunterbringung infrage. Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sollte das aber eigentlich nur die letzte Option sein, weil ein intaktes Familienverhältnis in der Regel für alle Betroffenen die beste Lösung darstellt.
Nicht viel anders sieht es auch bei dem schon erwähnten Gastelternprojekt aus. Den dort untergebrachten schon älteren Kindern und Jugendlichen soll in den Familien für einen längeren Zeitraum ein Zuhause gegeben werden. Hier wie für alle pflegenden Familien gilt: Es bedarf besonders stabiler Verhältnisse, einem robusten Durchhaltevermögen auch in schwierigen Phasen. Und der Bereitschaft, auch regelmäßige Kontakte mit den oft problembelasteten Herkunftsfamilien zu akzeptieren. Das an sich ist kein Hexenwerk, immerhin 23 Gastfamilien haben sich im Landkreis bisher dazu bereit erklärt, diese Aufgabe mit tatkräftiger Unterstützung der Mitarbeitenden aus dem Jugendamtsbereich zu bewältigen. Da aber mittlerweile bereits 20 Plätze in diesen Familien schon vergeben sind, ist die Decke für weitere Vermittlungen ausgesprochen dünn.
Bei dem von Christine Brennecke, Luisa Chanut und Saskia Söhngen betreuten Allgemeinen Pflegekinderdienst ist die Situation trotz des Engagements von bereits 45 Pflegefamilien ähnlich. Denn die betreuen derzeit 55 der betroffenen Kinder, die schon als Kleinkind vermittelt wurden. Bei immer weiter steigenden Zahlen ist die Kapazitätsgrenze auch hier längst erreicht. Die Besonderen Sozialen Dienste des Landkreises sind also ständig auf der Suche nach motivierten und engagierten Familien, die helfen können. Und sie versprechen dabei, niemanden allein mit auftretenden Problemen zu lassen. „Wir bieten sowieso eine vorherige intensive Schulung durch unsere Fachkräfte an“, betont Bereichsleiter Benjamin Peters. Darüber hinaus gebe es aber auch während und nach der Aufnahme eines Kindes eine ständige Begleitung durch entsprechende sozialpädagogische Kräfte. „Wir machen dazu auch noch regelmäßige Gruppenangebote und bei Bedarf auch Einzelsupervisionen“, ergänzt Peters. Wie stark solche Angebote in Anspruch genommen werden müssen, hängt in solchen Zusammenhängen immer von den einzelnen Konstellationen zwischen Pflegekind, Pflege- und Herkunftsfamilien ab. „Wir helfen und unterstützen, aber wir sitzen niemandem im Nacken“, stellt Peters klar.
Interessierte Familien können sich unter www.landkreis-holzminden.de/pflegekinder informieren oder per E-Mail an
Foto: Peter Drews/Landkreis Holzminden