Bevern (red). Einst haftete der Brille ein Makel an, denn schöner war man ohne dieses oft als unästhetisch empfundene Hilfsmittel. Der Feuchtwanger Optikermeister Gerhard Mayer jedoch fand dieses nützliche Utensil nicht nur aus beruflichen Gründen hochinteressant. In drei Jahrzehnten trug er eine umfangreiche Sammlung historischer Brillen zusammen. Ab dem 20. Juni zeigt das Kulturzentrum Weserrenaissance Schloss Bevern aus dieser wertvollen und umfangreichen Brillensammlung eine Auswahl von ca. 250 Exponaten. Gegliedert nach historischen und sachbezogenen Themen wird in der Ausstellung ein unterhaltsamer Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Brille gegeben, deren Vorläufer zuerst in italienischen Klöstern im 13. Jahrhundert in Gebrauch kamen. Venezianisches Glas war ein begehrter Rohstoff zur Fertigung der Gläser. Augengläser wurden auch aus dem Edelstein Beryll geschliffen, wovon sich das Wort „Brille“ ableitet. Um die Gläser vor die Augen zu bringen, wurden zunächst eigenwillige Lösungen entwickelt. Mal band man die Sehhilfen mit einem Lederriemen um den Kopf, ein anderes Mal nähte man die Gläser an den Mützenrand oder montierte sie auf einen Stirnreif. Bis zur Bügelbrille des 19. Jahrhunderts, mit der endlich eine Gläserfassung gefunden war, die man bequem und sicher tragen konnte, vergingen fast 600 Jahre.
Ob Schläfenbrillen, Scherenbrillen, Fadenbrillen, Faltbrillen, englische Silberbrille, Ränderbrille, Nürnberger Drahtbrille, Eisenbahnerbrille, chinesische Schildpattbrille, Lorgnette oder Zwicker - die Vielfalt historischer Brillen aus der Sammlung Gerhard Mayer ist faszinierend wie skurril. Der versierte Sammler Mayer, Mitglied im „Ophthalmic Antiques International Collectors Club London“, hatte ein gutes Gespür für ausgefallene Stücke. Unter den Objekten findet sich beispielsweise auch eine englische Prothesenbrille mit einer Nasenprothese aus Messing aus dem Jahr 1840.
Doch auch die hübsch und vielfältig verzierten Etuis sind kleine Kostbarkeiten: Zu sehen sind chinesische Etuis aus Holz mit Reliefschnitzereien, Etuis aus Horn, Schildpatt, Perlmutt, zum Teil mit Einlegearbeiten, Etuis mit Silbertreibarbeiten und solche mit Perlstickerei oder Lackmalerei.
Und schließlich inszeniert eine Station der Ausstellung auch noch die Kriminalerzählung Herrn Meyers Obsessionen. Ein Krimi in fünf Brillen. Eine weitere widmet sich dem 2002 verstorbenen Optiker selbst. Seine einzigartige Sammlung vermachte er dem Fränkischen Museum Feuchtwangen, das sie im Jahr 2008 erstmals präsentierte.
Parallel zur Sammlung Gerhard Mayers werden im Kulturzentrum Schloss Bevern regionale Bezüge zur Glashütte Grünenplan aufgezeigt, wo seit dem 18. Jahrhundert enorme Stückzahlen Brillenrohglas für den Weltmarkt produziert werden.
Übrigens: Wer abgelegte Brillen für die Afrikahilfe spenden möchte, kann dies mit einem Besuch der Ausstellung verbinden, die Holzmindener Firma Schridde Optik stellt zu diesem Zweck eine Sammelbox zur Verfügung.
Die Ausstellung ist geöffnet von Sonntag, 20. Juni bis Sonntag, 15. August 2021, Dienstag bis Sonntag und feiertags von 10 bis 17 Uhr.
Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen zu den Veranstaltungen im Kulturzentrum Weserrenaissance Schloss Bevern: www.schloss-bevern.de.
Fotos: Landkreis Holzminden