Bevern-Forst (TKu). Ein gruseliges Geheimnis birgt unser aktueller „Lost Place“ an der Landesstraße L584 zwischen Bevern-Forst und der Ortschaft Warbsen. Die alte Gießerei C.Müller in Forst ist heute ein verfallener Schandfleck, den man schon alleine aus Sicherheitsgründen nicht betreten darf. Das Dach ist in einigen Bereichen schon nicht mehr vorhanden und die Räume sind an vielen Stellen von Schimmel befallen. Heute zeugt nichts mehr von der einst so ruhmreichen Maschinenfabrik C. Müller, die von Bevern-Forst aus Maschinen in alle Welt exportiert und zu Spitzenzeiten fast 140 Mitarbeiter beschäftigt hat. Vor fast genau 21 Jahren geschah hier ein grausamer Mord. In den Jahren des zweiten Weltkrieges waren dort Zwangsarbeiter aus dem Osten beschäftigt. Die Gießerei Firma Müller KG war in jenen Jahren ein Wehrmachtsbetrieb. Seit 1941 arbeiteten dort zwei französische Zivilarbeiter, untergebracht waren sie in der benachbarten Weißen Mühle bei Lütgenade. Die Bedingungen für sie scheinen verhältnismäßig annehmbar gewesen zu sein, die ihnen gewährten Heimaturlaube nutzten sie nicht zur Flucht, wie wir aus einer Chronik erfahren haben. In den Jahren 1943/44 sollen sieben Frauen und Männer aus der Ukraine und Russland hinzugekommen sein, die in einem Haus direkt auf dem Fabrikgelände lebten. Die auch in der Nachkriegszeit erfolgreiche Maschinenfabrik ging im Jahre 1976 insolvent. Seit dem wechselte die kleine Fabrik bis zuletzt immer wieder die Besitzer. Zur Jahrtausendwende war dort eine Bauschlosserei ansässig, in der sich im Oktober 2000 ein grausamer Mord ereignet hat, dessen Geschichte es mehrfach ins Fernsehen geschafft hat, zuletzt in eine „True-Crime-Doku“ auf ZDF-Info (hier anzusehen: https://youtu.be/bIgMR_tzhnM).

Im angrenzenden Wohnhaus des Firmengebäudes brachte der Besitzer seinen eigenen Angestellten um, den er jahrelang zuvor misshandelt und wie einen Sklaven gehalten hatte. Zusammen mit dem Vorarbeiter David S. prügelten sie Holger K. zu Tode und verscharrten seine Leiche auf einem Truppenübungsplatz. Der damals 35-jährige Holger K. war Hilfsarbeiter in der Bauschlosserei von Rainer B.. Das Unternehmen stellte Teile für Rutschen und Parkbänke her und fertigte Ständer an, in denen Baumärkte ihre Terrassenplatten ausstellen. Sein Chef Rainer B. hatte den Hilfsarbeiter K. wie einen Sklaven in seiner kleinen Metallfirma gehalten. Viele Mitarbeiter wussten davon, geholfen hat ihm aber niemand und beinahe hätte auch niemand von seinem Tod erfahren. Nur der akribischen Recherche der Polizei ist es schließlich zu verdanken, das der Mord vor 21 Jahren von unserem heutigen „Lost Place“ aufgeklärt werden konnte. Kriminalhauptkommissar Harald S. aus Holzminden war mit dem Fall betraut und hat im Sommer 2002 auch “Aktenzeichen XY” eingeschaltet. Holger K. galt zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als zwei Jahren als vermisst. Der Kommissar glaubte nicht, dass er noch am Leben war. Jahrelang hatte Rainer B. behauptet, Holger K. sei im Oktober über Nacht verschwunden, weil er ihm 3500 Mark gestohlen habe. B. hatte ihn sogar angezeigt. Hilfsarbeiter Holger K. war 32, frisch verheiratet und Vater eines Sohnes, als er im Oktober 1997 bei der Metall- und Stahlbaufirma in Forst anfing zu arbeiten. Stahl und Schrott türmten sich dort, Blech und Holz, teure Maschinen und billige Möbel in monströsem Ausmaß, so hieß es. Alles war dreckig und sehr unordentlich. Rainers Lebensgefährtin Rita L. betrieb dort “Angie`s Boutique”, einen Versandhandel für Transvestiten und für Frauenkleider, Reizwäsche in Übergrößen und auch Perücken. Rainer B. war damals Schlossermeister, Mitvierziger, geboren in Stahle. Sein Vater soll ihm schon mal einen Fleischspieß durch die Hand gejagt haben im Jähzorn, hieß es im damaligen Mordprozess.

Weil Holger K. Sandstrahlarbeiten durchführte, nannte man ihn meist bei seinem Spitznamen „Strahlemann“, den Holgers Chef ihm gab. Das Sandstrahlen war unter den Kollegen eine verhasste Arbeit. So ließ der Chef die Maschinenteile einer Glashütte und der örtlichen Möbelfabrik reinigen. Normalerweise muss man beim Sandstrahlen einen geschlossenen Schutzanzug nebst Helm tragen. Holger strahlte ohne, weil es nur einen löchrigen Anzug gab, der aber keine Schutzwirkung hatte. Einen neuen Anzug wollte der geizige Chef nicht kaufen. In den Überresten von Holgers Leichnam fanden Gerichtsmediziner in der Lunge Ablagerungen von feinkristallinem Sand, “pfundweise”, wie ein Richter damals im Prozess erklärte. Der Personalverschleiß des Unternehmens soll hoch gewesen sein. Das Umfeld wie die Spinde sollen dreckig, die Klos kaputt und die Löhne schlecht gewesen sein. Die Arbeit gefiel auch Holger K. nicht. Rainer B. behauptete, Holger K. habe Firmenmaterial im Wert von 12.000 Mark gestohlen. Noch kurz vor seinem Tod dichtete B. ihm Gelddiebstähle in Höhe von 25.000 Mark an. Holger ließ wohl tatsächlich einige Dinge mitgehen. Sein Chef zwang ihn, darüber eine Liste anzulegen. Die gestohlenen Sachen waren aber lediglich nur wenige hundert Mark wert.

Die Ehe von Holger lief schwierig. Er trennte sich schließlich von Frau und Kind oder die Frau sich von ihm. Die Eltern blieben danach Holgers einzige Verbindung ins alte Leben. Sie brachten ihm alle 14 Tage Vorgekochtes nach Bevern, haben ihm die Wäsche gewaschen und die Wohnung geputzt. Die letzten Jahre verbrachte Holger nur noch im verwahrlosten Firmengebäude mit der Wohnung daran. Weil Holger sogar nachts arbeitete, schlief er tagsüber ein. Die Kollegen wurden unzufrieden, trieben ihn an. “Er war nicht mehr bei sich”, sagt der Vorarbeiter David S. vor Gericht. Ostern 2000 kommandierte Chef B. ihn in den eiskalten Bach hinterm Haus, um Steine daraus zu einer Mauer aufzuschichten. Stundenlang stand Kahlfeld bis zum Oberschenkel im Wasser. Als Holger sich den Daumen absägte, brachte sein Chef ihn in die Klinik. Als aber die Versicherung für den Unfall 12.000 Mark zahlte, riss er sich das Geld unter den Nagel. Das war nicht schwer, weil B. längst Holgers Konto kontrollierte. Ein Bauhandwerker aus Holzminden, der das ominöse Unternehmen kannte und dessen Tochter bei B. eine Halle gepachtet hatte, schrieb am 14. September 2000 an den Landkreis Holzminden und berichtete über die katastrophalen Zustände auf dem Firmengelände und von den Misshandlungen an Holger K.. Der Holzmindener bot Holger auch an, nach Holzminden zu ziehen, in eine kleine Bleibe, die er an der Hand hatte. Aber der „Strahlemann“ hoffte entweder noch oder dachte gar nichts mehr. „Das wird schon wieder“, soll er gesagt haben.

Holgers Eltern sahen ihren Sohn am 29. September 2000 das letzte Mal, als sie ihren Urlaub nach Tirol planten, das erste Mal seit Jahrzehnten. Mitte Oktober 2000 erschienen Mitarbeiter des Landkreisamts, um den Betrieb zu inspizieren. Da war Holger schon bereits tot, zu Tode geprügelt von Rainer B., weil er sein Geldversteck nicht verraten wollte. Der damals 35-jährige Vorarbeiter David S., verheiratet und Vater eines achtjährigen Sohnes, prügelte mit und half mit der Lebensgefährtin Rita L. Den Leichnam zu beseitigen. Nach einem Hin- und Her steuerten sie mit ihrem Jeep schließlich den Truppenübungsplatz bei Fallingbostel an. Da vergruben sie den Toten im sandigen Waldboden, 140 Kilometer nördlich von Bevern entfernt. Als Holgers Eltern aus Tirol wiederkehrten, zitierte sie der Chef ein letztes Mal nach Bevern. Er tischte ihnen die Geschichte vom getürmten Dieb auf und ließ das alte Paar die Wohnung leer räumen, wofür sie viele Tage benötigten. Holger K. sein kleines Auto befand sich noch immer dort, was den Ermittlern ein Rätsel war. Kriminalhauptkommissar Harald S. war sich sicher, dass der „Strahlemann“ wahrscheinlich schon nicht mehr am Leben sei, worauf viele Hinweise hindeuteten. Spätestens aber nach der Meldung eines Zeugen bei der Polizei, war sich der Kommissar sicher. Dieser meinte gegenüber der Polizei, Rainer B. habe gesagt, dass er dafür gesorgt hätte, das der „Strahlemann“ nie wieder telefonieren könne. Die Ermittler bauten systematisch Druck auf und ließen den Fall des Vermissten Holger K. auch über Aktenzeichen XY veröffentlichen. Damit kam der Erfolg, denn Lebensgefährtin Rita L. brach ein und schilderte der Polizei zwei Jahre nach der Tat, was wirklich in der „Horrorfirma“ passierte und wo sie den toten Holger K. finden können.

Fotos: Thomas Kube