Holzminden (red). Die Entscheidung, Pflegekinder aufzunehmen, ist eine, die gut durchdacht und geplant werden muss. Eine, die viele Fragen aufwirft. Wie kommt man zu einem Pflegekind? Was ist der Unterschied zur Adoption? Wie ist das mit den leiblichen Eltern? Diese und viele weitere Fragen werden in dieser Serie von Pflegeeltern und dem Pflegekinderdienst Holzminden beantwortet. Die Pflegefamilien berichten über den Weg mit ihren Pflegekindern, von der Vorbereitung und Begleitung durch den allgemeinen Pflegedienst, über den Aufbau ihrer Bindung zu den Kindern, bis hin zum Alltag, den sie nun zusammen verbringen.
Im ersten Teil berichtet eine Pflegefamilie über die Aufnahme von zwei kleinen Pflegekindern in ihre Familie und die Begleitung durch den Pflegekinderdienst Holzminden.
„Kindern die Möglichkeit auf eine frohe und unbeschwerte Kindheit geben“- Das war der Impuls eines Ehepaares aus dem Landkreis Holzminden, Pflegekinder aufzunehmen. Nach dem Absolvieren einer Pflegeelternschulung des Landkreises Holzminden nahm die Familie im Jahr 2015 einen Säugling bei sich auf. Da sie keine eigenen Kinder bekommen konnten, entschieden Sie sich für die Aufnahme eines Pflegekindes.
„Wir hatten anfangs nur Adoption im Kopf“, berichtet der Pflegevater. Letztendlich ließ sich die Pflegefamilie nach ein paar Tagen Bedenkzeit auf den Prozess der Pflegeelternschulung ein, da eine Adoption eines Säuglings oder Kleinkindes durchaus selten ermöglicht werden kann. Bei Pflegekindern gibt es da bessere Aussichten. Mit einer großen Portion Glück auch zeitnah nach der Pflegeelternschulung. So wie bei unserer Pflegefamilie. Denn kurz nachdem sie die Schulung absolviert hatten, fragte das Jugendamt bereits an, ob die Familie einen frisch geborenen Säugling aufnehmen möchte. „Als wir davon gehört haben, mussten wir vor Freude erst einmal weinen“.
Dann ging alles ganz schnell. Die Pflegeeltern lernten den kleinen Jungen im Krankenhaus kennen und übernahmen die Elternrolle. „Wir haben all die Dinge gemacht, die ganz normale Eltern auch in den ersten Tagen gemacht hätten. Das war eine tolle Erfahrung“, berichtet der Pflegevater. Ein solcher Start in die Pflegefamilie ist nicht üblich: „Dass wir einen Säugling direkt nach der Geburt vermitteln können, kommt selten vor. Meistens ist die Perspektive zu Beginn noch unklar, sodass etwas mehr Zeit vergeht. Wir wünschen uns jedoch für die Kinder eine möglichst frühe Aufnahme“, sagt Ines Luisa Chanut, die die Pflegefamilie als Fachkraft begleitet.
Mittlerweile ist die Familie als Pflegefamilie erfahren und lebt gemeinsam mit zwei Pflegekindern ihr Familienleben. Zwei Jahre nach dem ersten Pflegekind folgte ein weiterer Junge. „Unser zweites Pflegekind haben wir bekommen, als er ein halbes Jahr alt war. Wir haben ihn in einer Bereitschaftspflegefamilie kennengelernt“, erinnert sich die Pflegemutter. Es folgte eine etwas längere Anbahnungsphase, weil sich der Junge erst an die neuen Pflegeeltern gewöhnen musste. „Das war schon etwas anstrengender, weil wir das kleine Kind dann sehr häufig besucht haben. Wir sind sechs bis acht Wochen lang drei bis viermal die Woche in die Bereitschaftspflege gefahren.“
Doch es hat sich gelohnt. Heute berichten die Pflegeeltern von einer intensiven Bindung zu beiden Kindern. „Wir haben beide Kinder sofort in unser Herz geschlossen“, erzählen die Pflegeeltern mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Die Familie denkt sogar darüber nach, noch einem dritten Kind ein zu Hause zu geben.
Vorbereitung und Begleitung durch den allgemeinen Pflegekinderdienst
Im Bewerberverfahren des Pflegekinderdienstes erfolgt eine intensive Vorbereitung: „Wir haben uns mit der familiären Situation eines Pflegekindes und was dieses so mitbringt intensiv auseinandergesetzt. Aber auch mit der eigenen Familiengeschichte“, sagt Ines Luisa Chanut. Im Rahmen der Schulung wird neben den Themen rund um das Pflegekind auch eine Genogrammarbeit durchgeführt. „Das gibt uns Fachkräften die Möglichkeit, die Familien näher kennenzulernen und anhand dessen eine Auswahl für jedes Kind treffen zu können“, erklärt Chanut.
„In dem Prozess erstellen wir ein Profil der Pflegefamilie und schauen, welches Kind in welcher Familie am besten aufgehoben ist.“ Zudem diene die intensive Kennlernzeit zwischen der Familie und den Fachkräften auch dazu, eine anschließende Beratung und Begleitung im Rahmen des Pflegeverhältnisses vorzubereiten. Ines Luisa Chanut, Christine Brennecke und Saskia Söhngen sind im allgemeinen Pflegekinderdienst für Pflegefamilien da, die kleine Kinder vom Säuglingsalter bis zur Einschulung bei sich aufnehmen. Die Fachkraft bleibt für die Familie zuständig, bis das Kind die Familie verlässt. Die nächste Schulung wird im September starten. Wenn Sie Interesse haben, melden Sie sich jetzt noch an.
Die Herkunft spielt immer eine Rolle
Bei Pflegekindern spielen die leiblichen Eltern im Leben der Kinder immer eine Rolle, mal mehr - mal weniger. Zu Anfang hatte die Pflegefamilie alle 4 Wochen einen Kontakt mit den leiblichen Eltern im Jugendamt, mittlerweile ist der Kontakt über die Jahre jedoch eingeschlafen. „Die Situation war anfangs etwas künstlich, es war aber immer alles entspannt und harmonisch“, berichtet die Pflegemutter von den Besuchskontakten. Den Fachkräften ist eine offene Kommunikation über die Herkunft der Kinder sehr wichtig, damit eine gelingende Identitätsbildung der Kinder erfolgen kann. Die Pflegemutter hat den Kindern früh erklärt, dass „sie nicht bei ihr im Bauch waren“. Chanut ergänzt, dass diese frühe Aufklärung notwendig sei, damit die Kinder nicht das Gefühl bekämen, belogen worden zu sein. Weiterhin benötigten sie die Chance, sich mit ihrer Herkunft rechtzeitig auseinandersetzen zu können. Sowohl die Eltern als auch die Kinder behalten ein Recht auf Umgang. Ziel im Sinne der Pflegekinder ist es, zwischen der Pflegefamilie und der Herkunftsfamilie eine gute Basis zu schaffen.
Der Alltag
„Wir erleben uns wie eine ganz normale Familie“, berichten die Pflegeeltern aus dem Alltag. Mit den Kindern sei nun „endlich Leben in der Bude“. Bisher zeigen sich die Kinder unauffällig und haben sich in das Familienleben gut integriert. „Fremde Personen sagen mir schon einmal, dass der Große aussieht wie ich“, schmunzelt die Pflegemutter.
Welchen Weg die Entwicklung der Kinder noch nehmen wird, bleibt eine Überraschung. Je früher die Kinder in die Pflege kommen, desto größer sind jedoch die Chancen auf eine gute Entwicklung. Letztendlich hängt es aber auch davon ab, wie das Kind seine einzelnen Erlebnisse verarbeitet. Wollen Sie mehr über das Thema „Pflegeeltern werden“ erfahren? Dann melden Sie sich gerne unverbindlich beim Pflegekinderdienst des Landkreises Holzminden per Mail
Weitere Informationen erhalten Sie auch auf der Homepage: www.landkreis-holzminden.de/pflegekinder
Foto: Landkreis Holzminden