Holzminden (red). Es gibt ein neues „Trainingscamp“ für Studierende der Konservierung und Restaurierung: die ConNext-Konferenz. Unter dem Titel „Conservation by the next generation“ können hier Studierende erste Konferenzerfahrungen sammeln, ihre Sprachkompetenz ausbauen und sich untereinander vernetzen. Die ConNext Student Conference ist eine Online-Studentenkonferenz in englischer Sprache, die von den Universitäten in Antwerpen (UAntwerp) und Amsterdam (UvA) in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim (HAWK), dem Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS) der TH Köln, der Fachhochschule Potsdam (FHP) und der University of Lincoln in diesem Jahr ins Leben gerufen wurde. Es ist eine Initiative der verschiedenen Ausbildungsprogramme im Bereich der Holz- und Möbelrestaurierung, die aber auch Polychromie und moderne Materialien beinhaltet.
343 registrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 12 verschiedenen Ländern und 34 Ausbildungs- und Forschungsinstituten ließen keine Zweifel darüber aufkommen, dass es im nächsten Jahr eine Neuauflage geben wird.
„Bildung ist das A und O für die Zukunft unseres Fachgebiets und sie beginnt mit dem Austausch. Mit der Konferenz wollen wir explizit eine internationale Plattform für Studierende aller Stufen bis hin zu Promotionen, sowie für junge Absolventinnen und Absolventen bieten. Das Teilen von Fallstudien, laufenden Forschungen, , Erfahrungen und Wissen steht dabei im Vordergrund“, so Mit-Initiatorin Dr. Julia Schultz, die neu berufende Professorin für Konservierung und Restaurierung von Möbeln, Holzobjekten und Materialkombinationen an der HAWK. „Es ist eine Konferenz von Studierende für Studierende. Wir hoffen, damit die Schwelle für die Studierenden senken zu können, damit sie ihre wertvollen Arbeiten auch bei großen internationalen Konferenzen wie die von ICOM-CC, Ebenist oder Future Talks einreichen.“ Gerade die studentische Augenhöhe ließe Platz für stetige Weiterentwicklung und baue mehr Selbstbewusstsein in die eigenen Stärken und gesammelten Erkenntnisse auf.
ConNext folgt dabei dem klassischen Konferenzablauf mit Richtlinien und Frirsten: es beginnt mit einer wissenschaftlichen Kurzfassung des Themas zur Einreichung, dem sogenannten „Call for Abstracts“, dann folgt eine fachliche Begutachtung durch das Organisationskomitee, das bestenfalls die eingereichten Vorschläge für Vorträge (15 Minuten) oder Poster (als 5 Minuten Kurzvortrag) für den Konferenztag zulässt.
Sechs Teilnehmende der HAWK schafften es aus den Vertiefungsrichtungen Möbel, Holzobjekte und Materialkombinationen sowie gefasste Holzobjekte und Gemälde mit ihren herausragenden Arbeiten in das Programm: Masterabsolventinnen Josefin Tönjes, Chilia Rachel Busse und Kaya Schönfelder, sowie HAWK-Studierende Anna-Theresa Schwenzer, Carla Helmrich und Matthias Vogel.
Die ConNext-Konferenz 2021 umfasste 30 Abstracts, die sich mit einer Vielzahl von Themen befassten: von traditionellen dekorativen Veredelungsmaterialien und -techniken über die Reinigung von Vergoldungen bis hin zu modernster Bildgebung und der Konservierung von Kunststoffen. Basierend auf dieser Auswahl wurden fünf thematische, zweistündige Abendsitzungen mit Vorträgen und Posterpräsentationen zusammengestellt. [https://www.uantwerpen.be/nl/overuantwerpen/faculteiten/ontwerpwetenschappen/nieuws-en-activiteiten/connext/]
Jede Sitzung eröffnete ein etablierter Restaurator mit einem inspirierenden Fachvortrag (Keynote)(20 Minuten):
Session 1: „Surfaces and Coatings“; Key Note: Shayne Rivers (West Dean College, UK)
Session 2: „Dealing with the Elements“: Key Note Adrian Smith (former conservator, Windsor Castle, Royal collection trust, UK)
Session 3: „State of the Art“; Arlen Heginbotham (J. Paul Getty Museum, LA, US)
Session 4: „Out of the Ordinary“: Tim Bechtold (Head of Conservation of the Neue Sammlung, International Design Museum Munich)
Session 5: „Musical Instruments“: Friedemann Hellwig (Musical Instrument Conservator, Hamburg).
„Wir konnten mit dem neuen Konzept nicht nur die junge Generation von Restauratorinnen und Restauratoren vernetzen, sondern auch neue Netzwerke unter dem Lehr- und Forschungspersonal der veranstaltenden Institute aufbauen, die unsere Fachrichtung im Rahmen gemeinsamer Projekte in Zukunft maßgeblich voranbringen können, wie z.B. durch neue kollaborative Forschungs- und Bildungsinitiativen, wie diese“, so Schultz. Auch für weitere Fachrichtungen könne ein „Trainingscamp“ gute Impulse für die Zukunft der Konservierung und Restaurierung im Allgemeinen bringen.
Carla Helmrich ist Studentin der Konservierung und Restaurierung von gefassten Holzobjekten und Gemälden im 7. Semester, sowie von Möbeln, Holzobjekten und Materialkombinationen im 6. Semester. Bei der ConNext-Konferenz stellte sie ihre Forschungsergebnisse zur Festigung von Brandblasen an einer Holztür vor. Für ihre Bachelor-Arbeit untersuchte sie die Entstehung von Hitzeblasen und die damit verbundenen chemischen und physikalischen Prozesse. Anhand einer brandgeschädigten, gefassten Tür des Teehauses Ruppertsberg von 1842 entwickelte sie ein Konzept zur Niederlegung und Festigung der Hitzeblasen. Dabei stand vor allem die anschließende erneute Nutzung der Tür im Hauptfokus.
Die Tagung nutzte Matthias Vogel dazu, dass Thema „Photogrammetrie“ und eine seiner möglichen Anwendungsbereiche in der Restaurierung dem internationalen Publikum näher zu bringen. Matthias Vogel hatte sich in seiner Bachelor Thesis mit dem Distanzvergleich von Punktwolken auseinandergesetzt. Diese Punktwolken werden mittels Photogrammetrie erstellt, wobei die zugehörigen Fotos mit einer normalen digitalen Spiegelreflex Kamera aufgenommen werden. „Für die Vorbereitung auf die Tagung habe ich nochmal ein Anschauungsbeispiel, einen Eichenholzwürfel, mittels Photogrammetrie in eine Punktwolke umgewandelt“, erzählt er von seinen Vorbereitungen auf seinen Fachvortrag. Dafür habe er sich einen provisorischen Aufbau im „Homeoffice“ in der Küche aufgebaut.
„Meine wissenschaftliche Fragestellung dabei war, ob Punktwolken desselben Objektes, bei denen die zugehörige Fotoserie an unterschiedlichen Tagen oder Jahren aufgenommen worden sind, untereinander auswert- und vergleichbar sind. Dabei ging es hauptsächlich um mögliche Dimensionsveränderungen durch Umwelteinflüsse wie z.B. Feuchtigkeit an Materialen (hier Holz). Die Ergebnisse aus der Thesis und aus den Versuchen lassen die Hoffnung zu, dass dies Verfahren solche Dimensionsveränderung sichtbar machen kann.“ Da hier die Forschungslage für seinen Bereich noch in den Kinderschuhen stecke und eine Bachelor Thesis im Umfang beschränkt sei, gebe es auf diesem Themenfeld noch viel zu entdecken.
Das Thema des Posters, das HAWK-Studentin Anna Schwenzer vorstellte, lautete: „Nassholzkonservierung mit Polyethylenglycol und Gefriertrocknung unter Vakuum“. Im Zuge einer Facharbeit am Goering Institut in München erarbeitete sich Anna Schwenzer bereits 2017 die Grundlagen, warum eine Konservierung von Nassholz so wichtig ist. Da das Holz vor allem im Inneren meist stark abgebaut ist, würde es während einer einfachen Trocknung zu irreversiblen, plastischen Veränderungen kommen. Eine weit verbreitete Methode, um dies zu vermeiden, ist die Behandlung mit Polyethylenglycol und eine im Anschluss erfolgende Gefriertrocknung. „Dies ermöglicht die anschließende Präsentation der Objekte in einem kontrollierten Klima“, so Schwenzer. Im Rahmen ihrer Masterthesis untersuchte Josefin Tönjes ein Raritätenkabinett des Westfries Museum Hoorn in den Niederlanden. Ihr PosterPitch für ConNext konzentrierte sich auf die technologische Untersuchung und die kunsthistorische Einordnung des Objektes. Es handelt sich dabei um einen Kabinettschrank der Spätrenaissance mit später hinzugefügtem Untergestell. Die architektonisch gegliederte Fassade zeigt Marketerien mit Grotesken und figürlichen Darstellungen. Aufgrund der Gestaltungsmerkmale und Materialauswahl ist der Kabinettschrank wahrscheinlich dem Tiroler Gebiet zu Beginn des 17. Jahrhunderts zuzuordnen.
In der Poster-Präsentation von HAWK-Absolventin Chilia Rachel Busse ging es um einen spätgotischen Altarflügel, benannt als „Jodocuslegende“, aus der Sammlung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover. Der Vortrag fokussierte sich vor allem auf das vorgefundene Schadensbild des verwölbten Holzträgers. Die Absolventin stellte ihr Konzept zur Sicherung der aufstehenden Bildschichtschollen, die photogrammetrische Messung der Verwölbung und eine mögliche Flexibilisierung der steifen Zierrahmenkonstruktion vor.