Landkreis Holzminden (red). Die Entscheidung, Pflegekinder aufzunehmen, ist eine, die gut durchdacht und geplant werden muss. Eine, die viele Fragen aufwirft. Wie kommt man zu einem Pflegekind? Was ist der Unterschied zur Adoption? Wie ist das mit den leiblichen Eltern? Diese und viele weitere Fragen werden in loser Folge von Pflegeeltern und dem Pflegekinderdienst Holzminden beantwortet. Die Pflegefamilien berichten über den Weg mit ihren Pflegekindern, von der Vorbereitung und Begleitung durch den Pflegekinderdienst, über den Aufbau ihrer Bindung zu den Kindern, bis hin zum Alltag, den sie nun zusammen verbringen.
Im ersten Teil hatte eine Pflegefamilie über ihre Erfahrungen zu der Aufnahme von zwei Pflegekindern im Säuglingsalter berichtet. Im zweiten Teil berichtet eine Pflegemutter, wie sie und ihr Mann ihr zweijähriges Pflegekind kennengelernt haben, was für Ängste und Sorgen sie hatten und der Umgang mit der Herkunftsfamilie gelernt werden musste. ###„Ich habe schon sehr früh für mich erkannt, dass ich irgendwann mal ein Kind adoptieren möchte“, erzählt Yvonne S. von ihrer Initiative, sich beim Jugendamt für eine Pflegschaft zu bewerben. „Dass wir ja auch ein Pflegekind aufnehmen könnten, darauf hat uns dann der Pflegekinderdienst aufmerksam gemacht“. Zusammen mit ihrem Mann entschied Yvonne S. sich daraufhin, eine vom Landkreis angebotene Schulung zu besuchen. „Das gab uns noch einmal Bedenkzeit und wir konnten dadurch alle Vor- und Nachteile sehr gut abwägen“, sagt sie.
Ängste und Sorgen sind ganz normal
„Natürlich hat man vor so einem Schritt auch jede Menge Ängste“, erinnert sie sich. Alle möglichen Fragen gingen ihr durch den Kopf. „Werden wir das Kind lieben können? Werden wir einem Pflegekind gerecht werden?“ Solche und ähnliche Fragen stellte sich die Familie immer wieder. Aber die Hoffnung, für sich und das Kind eine gute Entscheidung zu treffen überwogen am Ende alle Zweifel.
Bis eine Entscheidung zu fällen war, dauerte es überdies auch noch eine längere Zeit. Erst ein Jahr nach der Schulung fragte der Pflegekinderdienst wegen eines zweijährigen Mädchens an. Das war nicht ganz passgenau nach den Wünschen von Yvonne S., denn die wollte eigentlich lieber einen Säugling aufnehmen. Die Fachkräfte des Holzmindener Pflegekinderdienstes fragten dennoch an, weil man dort schon einen Eindruck davon bekommen hatte, dass das trotzdem passen könnte. „Wir versuchen uns immer ein genaues Bild von den Kindern wie auch von der Pflegefamilie zu machen“, erklärt Saskia Söhngen vom Allgemeinen Pflegekinderdienst, „deshalb konnten wir uns in dem Fall das zweijährige Mädchen in der Familie sehr gut vorstellen.“ Trotz der nicht ganz passenden Altersangabe habe man deswegen einfach mal nachgefragt.
Yvonne S. und ihr Mann wollten die kleine Clara zumindest doch einmal kennenlernen, nachdem Söhngen und ihre Kolleginnen ihnen über das Kind einiges erzählt hatten. „Wir wollten dem Mädchen eine Chance geben“, sagt die spätere Pflegemutter. Und das hat sich gelohnt, wie sich einige Zeit danach herausstellte. Bereits beim ersten Treffen mit Clara war sich die Familie sicher. „Wir haben uns auf den ersten Blick verliebt!“, schwärmt Yvonne S.
Anbahnung in ein Pflegeverhältnis
Bereits kurze Zeit später wurden weitere Schritte unternommen. Behutsam lernten die neuen Pflegeeltern die Zweijährige kennen. „Wir mussten uns ganz schön ins Zeug legen, damit die Kleine Gefallen an uns fand“, schmunzelt Yvonne S. Gemeinsam mit Saskia Söhngen überlegte sich das Ehepaar eine Strategie, wie das Mädchen zu gewinnen sei. „Wir sind zwei Monate lang so oft es ging in die Bereitschaftspflege gefahren und haben uns in den Alltag der Kleinen eingefügt“, erzählt sie, „Dafür hatten wir immer einen kleinen Koffer mit buntem Spielzeug dabei, das war ein richtiger Pluspunkt“. Nach und nach entwickelte das zurückhaltende Mädchen Vertrauen zu ihren neuen Pflegeeltern. Nach ein paar Wochen gelang es, dass die Pflegeeltern auch ohne die Bereitschaftspflegeeltern mit dem Mädchen einen Spaziergang zum Spielplatz machen konnten. Danach wechselten die Besuche irgendwann in das neue Zuhause. Langsam lernte die Kleine ihr neues Zimmer und die Umgebung kennen und machte erste Mittagsschläfe in dem neuen Bettchen. „Für das kleine Mädchen war es ein Geschenk, dass sich alle Beteiligten so viel Zeit für den Umzug nehmen konnten.“, berichtet Frau Söhngen. „Irgendwann bezeichnete die Kleine das Spielzeug und das Zimmer als „Ihres“ und da wussten wir: Jetzt ist Sie bereit.“, weiß die Pflegemutter noch genau. Nach vier Monaten wechselte das Pflegekind dann in die neue Pflegestelle und fühlte sich gleich wohl. „Die Zeit der Anbahnung war teilweise sehr anstrengend, aber es hat sich gelohnt. Heute leben wir als ganz normale Familie.“, resümiert die Pflegemutter.
Offenheit und Transparenz gegenüber der Herkunftsfamilie
Mittlerweile lebt das Mädchen seit mehr als einem Jahr in der Familie und hat sich gut entwickelt. Sie besucht den Kindergarten vor Ort und hat in der Nachbarschaft viele Spielkamerad*innen. „Ich habe ihr von Anfang an erklärt, warum Sie bei uns lebt und wer Ihre leibliche Familie ist“, sagt Yvonne S., die Clara in Absprache mit Saskia Söhngen wiederholt altersgerecht über ihre Herkunft aufgeklärt hat. „Sie weiß, wer ihre leiblichen Eltern sind und hat auch Fotos von ihnen in ihrem Zimmer. Ihren Bruder trifft sie sogar regelmäßig.“ Clara hat trotzdem zu ihren Pflegeeltern eine gute Bindung aufgebaut und bezeichnet diese mittlerweile als „Mama“ und „Papa“. Mit den leiblichen Eltern gab es nach der Eingewöhnung in der Pflegefamilie vor kurzem ein Wiedersehen auf dem Spielplatz. „Natürlich haben wir uns vorher Gedanken gemacht und waren unsicher, was da auf uns zukommt“, erzählt Yvonne S. Das Treffen sei für sie im Nachhinein betrachtet dann aber sehr erleichternd gewesen, weil sie selbst die Situation damit besser einzuschätzen wissen. Es habe ihr viele Ängste genommen, findet die Pflegemutter. Ziel ist es bei allen Pflegeverhältnissen, dass alle Beteiligten für das Wohl des Kindes gut miteinander auskommen. „Es bestehen sowohl auf Seiten der Pflegeeltern als auch auf Seiten der leiblichen Eltern häufig Ängste und Sorgen. Mit einer Offenheit gegenüber der Situation und allen Beteiligten lassen sich die jedoch minimieren und ermöglichen es dem Kind, sich wohl zu fühlen“, macht Saskia Frau Söhngen deutlich. Und genau eben das ist für alle Beteiligten das gemeinsame Ziel.
Wollen Sie mehr über das Thema „Pflegeeltern werden“ erfahren? Dann melden Sie sich gerne unverbindlich beim Pflegekinderdienst des Landkreises Holzminden per Mail
Weitere Informationen erhalten Sie auch auf der Homepage: www.landkreis-holzminden.de/pflegekinder
Es werden dringend neue Pflegeeltern gesucht. Die nächste Schulung findet im Frühjahr 2022 statt – Informationen dazu folgen.
Foto: Landkreis Holzminden