Holzminden (red). Mit Beginn des Wintersemesters 2024/25 hat Dr. Seda Rass-Turgut die Professur für Diversität und Soziale Arbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst am Standort Holzminden übernommen. Zudem leitet sie den Masterstudiengang Soziale Arbeit berufsbegleitend. Ihre Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in der Migrations- und Kommunalforschung mit einem Fokus auf Soziale Arbeit. Am 18. Dezember hält sie ihre Antrittsvorlesung zum Thema geschlechterspezifische Flüchtlingssozialarbeit in der Türkei. Eingeladen sind neben Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden auch die interessierte Öffentlichkeit. Die Vorlesung beginnt um 14 Uhr im Weserberglandforum (Haarmannplatz 3).
20 Jahre Berufserfahrung auf Bundes- und Landesebene
Prof. Dr. Rass-Turgut blickt auf eine über 20-jährige berufliche Laufbahn auf Bundes- und Landesebene zurück. Zuletzt war sie Leiterin der Sozialverwaltung und Integrationsbeauftragte der Stadt Osnabrück. Zuvor hatte sie leitende Positionen beim Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn sowie bei der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk in Düsseldorf inne. Ihre Dissertation mit dem Titel „Policy Change im lokalen Migrationsregime der Türkei“ ist im November als Open Access im Nomos Verlag erschienen.
In ihrer beruflichen Praxis hat Prof. Dr. Rass-Turgut zahlreiche nationale und internationale Projekte im Bereich Migration und Integration geleitet. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit lag in den vergangenen Jahren ebenfalls auf der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. In Osnabrück hat sie die kommunale Fachstelle zur Wohnraumsicherung und Prävention aufgebaut, die im Rahmen des EU-Programms „EhAP Plus“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie der Europäischen Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert wird. Mit einem innovativen städtischen Konzept zur Einführung von Housing-First-Ansätzen initiierte sie einen grundlegenden Systemwechsel – weg von temporären Unterbringungen hin zu langfristigem Wohnen.
Studierende für Diversität sensibilisieren
Die Professur an der HAWK bietet ihr nun die Möglichkeit, Theorie und Praxis in einem zentralen Themenfeld der Sozialen Arbeit zu verbinden. „Diversität ist eine Kernherausforderung unserer Gesellschaft, die in nahezu allen Lebensbereichen relevant ist“, erläutert Dr. Seda Rass-Turgut. „Besonders reizvoll finde ich die Möglichkeit, Studierende für dieses Thema zu sensibilisieren, ihnen das Handwerkszeug für eine reflektierte und diskriminierungsfreie Praxis zu vermitteln und dabei selbst durch Forschung und Austausch weiter zu lernen.“ Dabei möchte Dr. Seda Rass-Turgut ihre Lehre möglichst praxisorientiert und interaktiv gestalten. Darum besuchte sie mit einer Seminargruppe die Migrationsausstellung des Kreises Höxter, wo die Studierenden einen direkten Bezug von theoretisch vermitteltem Wissen zu realen Lebensgeschichten herstellen konnten.
Der erste Eindruck von der HAWK, ihren Angehörigen und der Stadt beschreibt Dr. Seda Rass-Turgut als sehr positiv: „Besonders beeindruckt hat mich der enge Bezug zur Praxis und die Bereitschaft, gesellschaftlich relevante Themen aktiv anzugehen. Die Studierenden sind motiviert und bringen bereits viele wertvolle praktische Erfahrungen mit, was die Lehre unglaublich bereichert.“ Holzminden empfindet sie als einen Ort mit viel Potenzial, gerade durch die enge Verbindung zur Region und die Fokussierung auf soziale Fragestellungen. „Für mich ist die HAWK ein Ort, an dem Innovation und Zusammenarbeit großgeschrieben werden, was mich sehr motiviert, hier aktiv mitzuwirken.“
Einladung zur Antrittsvorlesung am 18. Dezember zum Thema Flüchtlingssozialarbeit
In ihrer Antrittsvorlesung spricht Prof. Dr. Rass-Turgut über das Bild der „syrischen Flüchtlingsfrau“ (suriyeli kadın) in kommunalen Planungsdokumenten türkischer Kommunen – das Thema ihrer Doktorarbeit. Darin hat sie Aushandlung und Verlauf von Policy Change im Migrationsregime der Türkei am Beispiel institutioneller und programmatischer Anpassungsprozesse in Kommunalverwaltungen untersucht. Konkret nahm sie die Auswirkungen der Gewaltmigration aus Syrien seit 2011 in den Blick.
Ihre Motivation war sowohl persönlich als auch professionell begründet: Als Tochter türkischer sogenannter Gastarbeiter*innen, die in den 1970er Jahren nach Deutschland kamen, ist Migration Teil ihrer Familiengeschichte. Auf professioneller Ebene prägte Dr. Seda Rass-Turgut der Austausch bei einem internationalen Symposium 2018 in der Türkei. Als damalige Integrationsbeauftragte der Stadt Osnabrück zog sie Parallelen von den Aussagen türkischer Städtevertreter*innen zu den Herausforderungen, die mit dem Zuzug von mehreren Millionen Geflüchteten einhergehen, zu ähnlichen Aussagen in Deutschland. „Deswegen wollte ich der Forschungsfrage nachgehen, welche Faktoren zu Veränderungsprozessen in Kommunen führen, insbesondere im Hinblick auf die Flüchtlingssozialarbeit“, erklärt Seda Rass-Turgut.
Die Ergebnisse der Doktorarbeit leisten einerseits einen empirischen Beitrag zum Verständnis von Migrationspolitiken in einem der aktuell wichtigsten Aufnahmeländer für Geflüchtete. Andererseits wird ein innovativer methodischer Ansatz zur Untersuchung der Anpassung von Politikmustern entwickelt und erprobt. Dazu verbindet die Analyse Textmining, Qualitative Comparative Analysis (QCA) und die Auswertung leitfadengestützter Interviews im Sinne einer Methodentriangulation. Die Dissertation wurde 2024 mit dem Manfred-Rommel-Stipendium der Stadt Stuttgart ausgezeichnet. Sie ist im www.nomos-shop.de unter Seda Rass-Turguts Namen abrufbar.
Foto: HAWK