Holzminden. Zugegeben, Apotheken in Deutschland hatten schon bessere „Lebensbedingungen“. Dessen ist sich auch Fachapotheker Mathias Orth bewusst. Nach dem Studium der Pharmazie hat er die Entwicklung in Deutschland seit 1999 unmittelbar im Blick. Damals begann er als angestellter Apotheker in der von seinem Vater, Dr. Herbert Orth, im Jahr 1980 ins Leben gerufenen Rosen-Apotheke seine berufliche Tätigkeit. In dieser Zeit absolvierte er die dreijährige Weiterbildung zum Fachapotheker für Allgemein-Pharmazie. Seit 2007 hat er die Rosen-Apotheke in der Bürgermeister-Schrader-Straße in Holzminden als Inhaber und verantwortlicher Apothekenleiter übernommen, zunächst als Pächter, später als Eigentümer der Apothekenräume.
Als Inhaber trägt er die Verantwortung für über zehn Mitarbeiter, einer Vielzahl an Stammkunden und das mehr als 10.000 verschiedene Medikamente umfassende Warenlager der Rosen-Apotheke. Das Überleben einer Apotheke werde nicht einfacher, weiß Orth. „Im Schnitt schließt alle 38 Stunden eine Apotheke in Deutschland“, erzählt mir der Apothekeninhaber während unseres Gesprächs. Die aktuellen Zahlen der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände) zeigen es auf: Die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland sinke seit Anfang 2009 und habe Ende 2017 mit gut 19.800 seinen niedrigsten Stand seit den späten 1980ern erreicht. Tendenz weiter fallend.
Die Ursachen dafür seien auch nicht schwer auszumachen: Neben dem Wettbewerb der Apotheken untereinander seien vor allem auch gesundheitspolitische Rahmenbedingungen heranzuziehen. Seit 2004 ist in Deutschland der Versand mit rezeptpflichtigen- und freien Medikamenten erlaubt. Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 ist es ausländischen Versandhändlern zudem erlaubt, sich nicht mehr an die deutschen Preisbindungen für rezeptpflichtige Medikamente zu halten. „Das haben wir zu spüren bekommen“, sagt Orth. „Das Hauptproblem ist die ungleiche Preisbehandlung, wenn die Internetversender Preisrabatte geben dürfen, auch auf verschreibungspflichtige Medikamente.“
Doch deshalb den Kopf in den Sand stecken? „Niemals“, sagt Mathias Orth, um im selben Atemzug einige Gründe zu nennen, warum die örtliche Apotheke vor allem im Bereich der Kundenbetreuung die Nase ganz klar vor jedem Versandhändler habe. „Versandhändler sind Rosinenpicker, sie haben keine Kühlartikel, stellen keine Rezepturen her, liefern keine Betäubungsmittel für Schwerstkranke und bieten vor allem keine Notdienste für die Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Bevölkerung an!“
Vor allem im Bereich der Beratung, der Rezepturanfertigung und der Schnelligkeit sei einer öffentlichen Apotheke nicht das Wasser zu reichen. „Bei vielen Erkrankungen gibt es häufig kein Fertigarzneimittel, so dass wir auf die ärztliche Verschreibung hin bei uns diese ganz individuellen Rezepturen anfertigen“, erklärt der Apothekeninhaber. Auch in Sachen Geschwindigkeit bei der Lieferung von Medikamenten habe man den weitaus größeren Vorteil: „Über 90 Prozent der gewünschten Arzneimittel sind aus dem Warenlager der Rosen-Apotheke sofort verfügbar. Ansonsten wird der fehlende Artikel kurzfristig über den pharmazeutischen Großhandel, der uns siebenmal am Tag beliefert, beschafft. Wenn man bei uns um 16 Uhr ein Medikament bestellt, kann der Patient um 18 Uhr beliefert werden, wenn es nötigt ist, bis direkt an das Krankenbett – das schafft kein Versandhändler.“
Anhören wie ein Wettkampf zwischen ihm und den Versandhändlern dieser Welt soll es sich aber nicht. „Da bestehen zurzeit ohnehin keine Chancengleichheit und kein fairer Wettbewerb.“ Vielmehr gehe es dem Fachapotheker um die adäquate und optimale Patientenbetreuung. „Dieser Beruf ist für mich eine Berufung“, weiß Mathias Orth, „für mich gibt es nichts Schöneres, als durch die gewissenhafte Ausübung meines Jobs tagtäglich den Menschen helfen zu können.“
Seine schönsten Erinnerungen als Apotheker: „Am meisten bedeutet mir stets das Vertrauen und die Dankbarkeit unserer Patienten und Kunden. Wenn sie mich zum Beispiel aufgrund gesundheitlicher Auffälligkeiten um Rat fragen, weil sie den Besuch beim Arzt scheuen, dann nehme ich mir die Zeit und höre zu und wenn ich der Meinung bin, dass es keine Alternative zu einem Besuch beim Arzt gibt, werde ich sie davon überzeugen. Und wenn jene Patienten dann wieder zu mir in die Apotheke kommen und sich genau für diese Hartnäckigkeit bei mir bedanken, weil es, wie ich schon oft gehört habe, ´allerhöchste Eisenbahn´ gewesen sei, dann bin ich glücklich!“
Fotos: Kai Pöhl