Holzminden (red). Die Idee, dass Vertreter der Wirtschaft und der Verwaltung zusammenkommen sollten, um sich auszutauschen, Probleme zu identifizieren und gemeinsame Lösungen zu suchen, ist im Landkreis Holzminden mittlerweile über ein Vierteljahrhundert alt. Zuletzt jedoch hakte es am jährlichen Rhythmus. Gab Ende 2019 die knifflige Terminlage im Zusammenhang mit dem Amtsantritt von Landrat Michael Schünemann den Ausschlag für eine Verschiebung, fiel das Ausweichdatum im Frühjahr der Pandemie zum Opfer. Jetzt trafen sich Landrat und Wirtschaftsvertreter zu einem „kleinen“ Wirtschaftsgespräch. Eine erfolgreich genutzte Gelegenheit für konstruktiven Austausch, aber auch für klare Worte.
Michael Schünemann hatte zusammen mit dem Bereich der Wirtschaftsförderung diesmal ins Kreishaus geladen, weil die Anzahl der Gäste coronabedingt überschaubar bleiben musste. Für das Handwerk waren Kreishandwerksmeister Karl-Heinz Bertram, sein Stellvertreter Detlef Struck und der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Ronald Tolle mit dabei. Für den Wirtschaftsausschuss der IHK wiederum waren Carsten Teiwes (Vorsitzender), und Carl-Otto Künnecke als stellvertretender Vorsitzender und Michael Talke als Vertreter für den Handel im IHK-Wirtschaftsausschuss anwesend.
Ein zentraler Schwerpunkt der Gespräche bestand darin, sich über die Bewältigung der Coronakrise in den vergangenen Monaten auszutauschen. Landrat Michael Schünemann und Wirtschaftsförderin Dr. Jutta Klüber-Süßle berichteten darüber, wie nach den ersten Coronafällen der Krisenstab eingerichtet und vom Gesundheitsamt sehr erfolgreich auch bundesweite Nachverfolgungen gestartet wurden. Gleichzeitig versuchten verschiedene Hotlines im Landkreis, sowohl Fragen zur Pandemie selbst als auch zu den wöchentlich sich ändernden Verordnungen sowie den wirtschaftlichen Unterstützungen zu klären. Die Wirtschaftsbetriebe des Landkreises mussten ganz unterschiedlich mit der Situation des Lockdowns und anschließend im Zuge der schrittweisen Lockerungen umgehen, machten die Wirtschaftsvertreter deutlich. Insgesamt sei das gesamte Ausmaß der Folgen erst im nächsten Jahr richtig absehbar, waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig. Die gesammelten Erfahrungen aus der ersten Pandemie-Welle haben jedenfalls sowohl in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung Konsequenzen: Im Kreishaus und in vielen Betrieben sind mittlerweile Konzepte entwickelt worden, wie im Bedarfsfall künftig die Handlungsfähigkeit besser erhalten werden kann.
Carl-Otto Künnecke, der schon während der Krise digitale Lösungen zur Umsetzung von Aufträgen entwickelt hatte, appellierte in diesem Zusammenhang auch an die Betriebe, sich mit notwendigen Investitionen nicht zurückzuhalten. „Viele glauben, sie sollten erst handeln, wenn Corona vorbei ist“, meinte Künnecke, „das aber wird noch lange dauern.“ Gleichwohl gebe es auch viel Positives zu beobachten, gab wiederum Ronald Tolle zu bedenken, es sei ein Zusammenrücken der Unternehmen in der Krise wahrnehmbar.
Deutliche Worte dagegen kamen vonseiten der Wirtschaftsvertreter im Zusammenhang mit dem Thema Digitalisierung. Der Ausbau der Gewerbegebiete müsse in jedem Fall Vorrang haben vor einzelnen Privatgebäuden, die noch als weiße Flecken auf der Landkarte zu finden seien. Das nächste Wirtschaftsgespräch solle als Digitalisierungsgipfel geplant werden, um Unklarheiten bezüglich eines weiteren schnellen Breitbandausbaus auch für die Betriebe auszuräumen.
Und auch eine klare Vision wünschten sich die Gesprächsteilnehmer. Man wolle wissen, wie es zukünftig mit dem Landkreis weitergehe, unterstrich Carsten Teiwes, „wir brauchen Signale, wir brauchen Perspektiven.“ Diese Botschaft jedoch richteten die Wirtschaftsvertreter nicht allein an die Verwaltung, sondern mehr noch an die Politik. Es fehle dem Landkreis an einer grundsätzlichen zukunftsweisenden Strategie für die weitere Entwicklung in Sachen Infrastruktur und Bildung. „Wir können mehr, aber dafür brauchen wir einen Plan“, machte Carl-Otto Künnecke deutlich. Speziell im Hinblick auf die Schulentwicklung sei es aus Sicht der Wirtschaft zwingend notwendig, zu einer schnellen wirtschaftlich machbaren Entscheidung zu kommen und endlich das Kirchturmdenken aufzugeben.
Foto: Peter Drews/Landkreis Holzminden