Landkreis Holzminden (red). Sie haben früher Feierabend und am Monatsende mehr Geld im Portemonnaie: Vollzeitbeschäftigte, die im Kreis Holzminden nach Tarif bezahlt werden, arbeiten pro Woche fast eine Stunde weniger als Arbeitnehmer, in deren Firma kein Tarifvertrag gilt. Auch in puncto Bezahlung sind Tarif-Beschäftigte klar im Vorteil – und verdienen im Monat durchschnittlich fast 900 Euro mehr. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hingewiesen. Die NGG-Region Hannover beruft sich hierbei auf eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Danach beläuft sich die wöchentliche Arbeitszeit in tarifgebundenen Betrieben in Niedersachsen bei Vollzeit auf 38,5 Stunden. Ohne Tarifvertrag sind es 39,4 Stunden. Das tarifliche Monatseinkommen liegt aktuell bei rund 3.880 Euro (ohne Tarif: 2.990 Euro).
„In wirtschaftlich unsicheren Zeiten werden die Vorteile von Tarifverträgen besonders deutlich. Sie bieten häufig auch einen besseren Schutz vor Kündigungen und regeln vielfach die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes“, sagt NGG-Regionalchefin Lena Melcher. Hinzu komme der Einfluss von Betriebsräten: In Branchen wie der Ernährungsindustrie oder dem Bäckerhandwerk kümmerten sich die Arbeitnehmervertreter etwa um den Schutz vor Corona-Infektionen im Job – und sorgten dafür, dass Auftragsspitzen oder -rückgänge nicht zulasten der Beschäftigten gingen. Nach Angaben der Arbeitsagentur beschäftigt das Lebensmittel- und Gastgewerbe im Landkreis Holzminden aktuell rund 1.400 Menschen.
Mit Sorge betrachtet die NGG jedoch, dass immer mehr Unternehmen einen Bogen um Tarif-Standards machten. Laut Böckler-Stiftung galt zuletzt nur noch für 56 Prozent aller niedersächsischen Beschäftigten ein Tarifvertrag. Im Jahr 2003 waren es noch 73 Prozent. Die Politik dürfe der Tarifflucht nicht länger tatenlos zusehen, fordert Gewerkschafterin Melcher: „Es ist gut, dass sich die Ampel-Koalition vorgenommen hat, die Mitbestimmung weiterzuentwickeln. Den Ankündigungen müssen nun aber auch Taten folgen.“
So müssten die Rechte von Betriebsräten etwa bei den Themen Arbeitszeiterfassung, Personalbemessung und damit Arbeitsbelastung sowie Weiterbildung erweitert werden. Außerdem könnten Tarifverträge über sogenannte Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für ganze Wirtschaftszweige verpflichtend gemacht werden. „Dies würde gerade Beschäftigten in kleinen Betrieben wie Gaststätten, Pensionen und Bäckereien zugutekommen“, so Melcher weiter.