Holzminden (r). Anfang Februar endete die Fahrt mit der NordWestBahn von Göttingen nach Holzminden, für eine Frau im Rollstuhl, auf dem Mittelbahnsteig in Holzminden. Da dieser Bahnsteig aktuell immer noch nicht barrierefrei ist, dauerte es Stunden, bis die Person mit Hilfe von Feuerwehr und Rettungsdienst den Bahnhof Holzminden verlassen konnte.

Dieser unrühmliche Zwischenfall war Grund dafür, dass die heimische Landtagsangeordnete Sabine Tippelt sich zum wiederholen Male über den Sachstand beim Bahnhof Holzminden informierte und eine Anfrage mit insgesamt 11 Fragen an die Niedersächsische Landesregierung stellte.

Unter anderem wünschte Tippelt sich dabei ausführliche Antworten auf die Fragen, welche Möglichkeiten es für Rollstuhlfahrer gibt, die NordWestBahn zu benutzen, ob es in den Zügen oder an den Bahnhöfen in Holzminden und Stadtoldendorf Rampen zum Ein- und Ausstieg gibt, wie das Land dazu beitragen möchte, dass derartige Vorfälle in der Übergangszeit bis 2021/22 bis zum mobilitätsgerechten Umbau der Bahnhöfe nicht mehr vorkommen können oder etwa, warum die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn seitdem 01.02.2019 nicht mehr wie in der Vergangenheit von allen Fahrgäste im Eisenbahnverkehr zur Anmeldung von Hilfeleistungen zum Ein-,Um- und Ausstieg genutzt werden kann. 

Klare Aussage des Ministeriums für Arbeit, Wirtschaft, Verkehr und Digitalisierung im Namen der Niedersächsischen Landesregierung ist, dass Vorfälle wie dieser im Februar in Holzminden mehr als bedauerlich und so nicht hinnehmbar sind. Weiter wird darauf hingewiesen, dass es neben der Service-Hotline, in den Zügen der NordWestBahn Begleitpersonal gibt, welches bei Fragen zur Barrierefreiheit Auskunft gibt. Bei besagter Fahrt nach Holzminden sei der Frau im Rollstuhl bereits in Göttingen mitgeteilt worden, dass sie den Mittelbahnsteig in Holzminden nicht nutzen kann. Ein Ausstieg in Lüchtringen wurde empfohlen. Von dort wäre nach vorheriger Absprache eine Taxifahrt zurück nach Holzminden möglich gewesen. Dies, so die Auskunft des Ministeriums weiter, wird auch bis zum barrierefreien Ausbau des Holzmindener Bahnhofs, die einzige Möglichkeit sein, Holzminden barrierefrei zu erreichen. 

Darüber hinaus geht aus der Antwort hervor, dass es Seitens des Stationsbetreibers DB Station&Service an den Standorten Holzminden und Stadtoldendorf keine Einstiegshilfen gibt. Im Bahnhof Holzminden befindet sich in den Diensträumen der NordWestBahn eine Rampe zu Schulungszwecken. Diese kann allerdings nur auf dem Hausbahnsteig, das heißt in Fahrtrichtung Paderborn, eingesetzt werden. Im konkret geschilderten Fall erfolgte die Fahrt von Göttingen über Ottbergen nach Holzminden, das heißt in Fahrtrichtung Kreiensen. Eine Tatsache die in Augen der Landtagsabgeordneten Sabine Tippelt mehr als unbefriedigend ist. „Es ist für mich nicht verständlich, warum Barrierefreiheit an so Kleinigkeiten wie einer Rampe scheitern kann. Die Fahrt über Lüchtringen ist sicherlich im Notfall eine Lösung. Ich bin aber trotzdem der Meinung, dass es kein Problem darstellen darf an den Bahnhöfen oder in den Zügen Rampen zum Aus- oder Einstieg vorzuhalten“, so Sabine Tippelt. 

Ein großes Problem wird bei der Frage nach der Mobilitässervicezentrale (MSZ) der Deutschen Bahn deutlich. Seit dem 01.02.2019 steht diese nicht mehr allen Fahrgästen im Eisenbahnverkehr als Hilfeleistung zur Verfügung. Begründet wird dies von der DB mit den enorm gestiegenen Nachfragen (von 564.000 Hilfeleistungen im Jahr 2015 auf über 850.000 Hilfeleistungen im Jahr 2018). Dies bedeutet eine Kostensteigerung, die auch von Drittanbietern wie etwa der NordWestBahn mit übernommen werden soll. Die Landesregierung hat von diesem Schritt erst nach dem 01.02.2019 erfahren. Aufgrund vielfältiger Proteste gegen die recht kurzfristig und unabgestimmt vorgenommene Änderung hat sich die DB entschieden, den über die MSZ angebotenen Koordinierungs- und Beratungsservice während der Dauer von Verhandlungen über eine Kostenbeteiligung anderer Eisenbahnunternehmen zunächst uneingeschränkt weiter anzubieten. „Es ist wünschenswert, dass hier schnell eine vernünftige Vereinbarung gefunden wird. Ich denke ich spreche im Namen unserer Gesellschaft, wenn ich sage, dass Fälle wie der besagte am Holzmindener Bahnhof so nicht hinnehmbar sind. Ich sehe die DB hier ganz klar in der Pflicht, wenn schon die Bahnhöfe nicht barrierefrei ausgebaut sind, zumindest für diesen Beratungsservice“, so Sabine Tippelt dazu.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Aufgrund eines aktuellen Vorfalls vom 07.02.2019 auf dem Bahnhof Holzminden gibt es Anlass zur Klärung der Frage, wie es Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, möglich ist, die NordWestBahn zu nutzen. Eine Frau saß dort über mehrere Stunden auf dem Mittelbahnsteig fest und wurde letztlich von Feuerwehr und Rettungsdienst aus ihrer misslichen Lage befreit. Die folgenden Fragen stehen vor dem Hintergrund, dass die Bahnhöfe Stadtoldendorf und Holz- minden erst 2021 bzw. 2022 barrierefrei ausgebaut werden sollen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesregierung bedauert den Vorfall am 07. Februar 2019 im Bahnhof Holzminden, bei dem eine in ihrer Mobilität eingeschränkte Reisende im Bahnhof Holzminden den dortigen, nicht barrierefreien Mittelbahnsteig nicht verlassen konnte. Sie sieht sich durch diesen Vorfall in ihrem bisherigen langjährigen Engagement bestätigt, sich landesseitig – unabhängig von der alleinigen Verantwortung der Deutschen Bahn (DB) AG als zuständiger Infrastrukturbetreiberin für die Bahnhöfe bzw. des Bundes als Eigentümer der DB AG – mit Hilfe gemeinsam finanzierter Bahnhofsmoderni- sierungsprogramme mit Bund und DB AG wie z.B. „Niedersachsen ist am Zug (NiaZ) I – III“ oder des „Zukunftsinvestitionsprogramms (ZIP) zur Herstellung der Barrierefreiheit kleiner Schienenver- kehrsstationen“ weiterhin konsequent für den barrierefreien Ausbau der Bahnstationen in Nieder- sachsen einzusetzen und dafür erhebliche eigene finanzielle Mittel bereit zu stellen. In diesem Rahmen ist es der Landesregierung auch gelungen, den barrierefreien Ausbau der Bahnhöfe Stadtoldendorf und Holzminden in das Bahnhofsmodernisierungsprogramm NiaZ III aufzunehmen. Die Planungen für beide Ausbaumaßnahmen sind bereits angelaufen. Nach derzeitigem Stand ist mit einem Baubeginn in Stadtoldendorf in 2020 zu rechnen, die Inbetriebnahme ist für 2021 vorgesehen. Der Baubeginn für den Umbau des Bahnhofs Holzminden ist derzeit für 2021 geplant, die Inbetriebnahme soll 2022 erfolgen.

Zusätzlich macht die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) als Bestellerin von Verkehrsleistungen, hier in enger Abstimmung mit dem federführenden nordrhein- westfälischen Aufgabenträger Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), den beauftrag- ten Eisenbahnverkehrsunternehmen Vorgaben für die Ausstattung der im Schienenpersonennah- verkehr eingesetzten Fahrzeuge im Hinblick auf die Zugänglichkeit für in der Mobilität einge- schränkte Fahrgäste. Darüber hinaus stimmt sie sich im Rahmen der vertraglichen Zusammenar- beit mit dem beauftragten Eisenbahnverkehrsunternehmen, hier also der NordWestBahn, ab, wie den besonderen Beförderungsansprüchen mobilitätseingeschränkter Reisender nach Möglichkeit entsprochen werden kann.

 

1. Welche Möglichkeiten gibt es für Rollstuhlfahrer, die Züge der NordWestBahn zu nutzen?

Die Züge der NordWestBahn sind mit multifunktionalen Mehrzweckabteilen und Einstiegshilfen ausgestattet, die einen niveaugleichen Übergang von 55 bzw. 76 cm hohen Bahnsteigen ermögli- chen. Ebenso wie andere bislang noch nicht modernisierte Bahnsteige erfüllt der derzeit nicht bar- rierefrei erreichbare Mittelbahnsteig in Holzminden mit einer Fußbodenhöhe von 38 cm diese Vo- raussetzungen zurzeit noch nicht. Nach Abschluss der Bahnhofsmodernisierung im Jahr 2022 wer- den ein niveaugleicher Einstieg in die Züge und ein barrierefreier Zugang zum Bahnsteig in Holz- minden uneingeschränkt gegeben sein. Darüber hinaus bietet die NordWestBahn eine Service- Hotline, um Hilfestellungen für in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen beim Ein- und Ausstieg vorab organisieren zu können. Zudem sind etliche Züge mit Zugbegleitpersonal besetzt, so auch auf der fraglichen Fahrt, die entsprechende Auskünfte und Hilfestellungen geben können. So soll die Kundenbetreuerin beim Zustieg der betroffenen Person in Göttingen ausdrücklich darauf hin- gewiesen haben, dass ein Ausstieg in Holzminden nicht möglich ist.

2. Welche Vereinbarungen wurden diesbezüglich zwischen NordWestBahn und LNVG getroffen?

Es ist mit der NordWestBahn vereinbart und wird nach deren Bestätigung auch praktiziert, dass in ihrer Mobilität eingeschränkten Reisenden mit Fahrtziel Holzminden ein Ausstieg beim nächstmög- lichen Halt Lüchtringen empfohlen wird. Die NordWestBahn organisiert nach entsprechender An- meldung von dort einen Taxitransport nach Holzminden.

3. Gibt es in den Zügen der NordWestBahn oder an den Bahnhöfen Holzminden und Stadtoldendorf Einstiegshilfen, wie etwa Rampen?

4. Gibt es in Holzminden die Rampe, die bei einer Mobilitätsschulung mit dem SoVD im Jahr 2016 genutzt wurde, nicht mehr?

5. Falls nein, warum gibt es diese nicht mehr?

Die Fragen 3 bis 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.

Seitens des Stationsbetreibers DB Station&Service werden an den Standorten Holzminden und Stadtoldendorf keine Einstiegshilfen vorgehalten. Im Bahnhof Holzminden befindet sich in den Diensträumen der NordWestBahn eine Rampe zu Schulungszwecken. Diese kann allerdings nur auf dem Hausbahnsteig, das heißt in Fahrtrichtung Paderborn, eingesetzt werden. Im von der Fra- gestellerin konkret geschilderten Fall erfolgte die Fahrt von Göttingen über Ottbergen nach Holz- minden, das heißt in Fahrtrichtung Kreiensen.

6. Was gedenkt das Land Niedersachsen gegebenenfalls für die Übergangszeit bis 2021/22 zu veranlassen, damit derartige Vorfälle nicht wieder auftreten?

Es wird auf die Vorbemerkung sowie die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen.

7. Was ist der Grund dafür, dass die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn seit dem 01.02.2019 nicht mehr wie in der Vergangenheit von allen Fahrgäste im Eisen- bahnverkehr zur Anmeldung von Hilfeleistungen zum Ein-, Um- und Ausstieg genutzt werden kann?

8. Wer trägt für diese Änderung die Verantwortung?

Die Fragen 7 und 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.

Die von DB Vertrieb gemanagte Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) nimmt bundesweit eine koordinierende Rolle bei der Organisation einer Bahnfahrt für in ihrer Mobilität eingeschränkte Reisende wahr. Während die originäre Verantwortung für die Zugfahrt von in ihrer Mobilität eingeschränkten Fahrgästen beim jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmens liegt, ist deren Unterstützung in den Stationen dagegen eine Aufgabe des Stationsbetreibers, das heißt, in der Regel der DB Stati-on&Service AG. Die MSZ als einheitliche Koordinierungs- und Beratungsstelle wurde im Jahr 2001 eingerichtet, als die Verkehre im Schienenpersonennahverkehr noch ganz überwiegend durch die DB-Verkehrsunternehmen erbracht wurden. In der Vergangenheit wurden die entsprechenden Leistungen für Fahrgäste aller Verkehrsunternehmen kostenfrei von der DB durchgeführt. Aufgrund einer deutlichen Zunahme der Inanspruchnahme bundesweit sowie vor dem Hintergrund einer zunehmenden Wettbewerbssituation hat sich DB Vertrieb dazu entschieden, die kostenfreie Servicebe-reitstellung einzustellen und eine finanzielle Beteiligung dritter Eisenbahnverkehrsunternehmen an den Kosten der Mobilitätsservice-Zentrale zu verlangen. Laut Auskunft der DB sind in den zurückliegenden vier Jahren die Reisendenzahlen, die eine Hilfeleistung in Anspruch genommen haben, um rund 50 Prozent gestiegen (von 564.000 Hilfeleistungen im Jahr 2015 auf über 850.000 Hilfeleistungen im Jahr 2018). Damit sei auch eine Kostensteigerung verbunden.Konkret wurde die Fortführung der Koordination für Fahrgäste von dritten Bahnunternehmen über die MSZ ab dem 01. Februar 2019 seitens der DB in eigener Verantwortung davon abhängig gemacht, dass sich die Dritten an den Kosten dieser Dienstleistung beteiligen. Die Änderung erfolgte allerdings aus Sicht der Landesregierung recht überraschend und ohne vorherigen Austausch mit den Behindertenverbänden, den Ländern oder den Aufgabenträgern im Schienenpersonennahver-kehr (SPNV). Soweit einzelne Eisenbahnunternehmen eine entsprechende Vereinbarung mit DB Vertrieb abschließen, sollte es bei der bisherigen Praxis bleiben. Im Übrigen hätten die dritten Ei-senbahnverkehrsunternehmen diese Aufgabe seit dem 01. Februar 2019 selber wahrnehmen müssen. Davon unberührt blieb die Pflicht von DB Station&Service, in den Stationen für in ihrer Mobilität eingeschränkte Reisende – soweit möglich – Unterstützungsleistungen zu erbringen sowie für diese Informationen darüber zur Verfügung zu stellen.

9. Wann hat die Landesregierung von einer solchen Änderung erstmals Kenntnis erlangt?Die Landesregierung hat von dieser Änderung erstmals Anfang Februar 2019, das heißt, nach der Umsetzung seitens der DB, Kenntnis erlangt.

10. Wie können Fahrgäste seit der Änderung an eine Beratung für Hilfeleistungen zum Ein-, Um- und Ausstieg gelangen bzw. entsprechende Bedarfe anmelden?

Aufgrund vielfältiger Proteste gegen die recht kurzfristig und unabgestimmt vorgenommene Ände-rung hat sich die DB entschieden, den über die MSZ angebotenen Koordinierungs- und Beratungs-service während der Dauer von Verhandlungen über eine Kostenbeteiligung anderer Eisenbahnun-ternehmen zunächst uneingeschränkt weiter anzubieten. Zusätzlich verfügen die jeweiligen Eisen-bahnverkehrsunternehmen über Service-Einrichtungen, an die sich mobilitätseingeschränkte Rei-sende für die Fahrt mit diesem Unternehmen wenden können.

11. Was unternimmt die Landesregierung, um zu erreichen, dass Reisende mit Mobilitäts-einschränkungen darüber angemessen informiert werden?

Die LNVG hat nach Bekanntwerden dieser Problematik in den von ihr federgeführten Netzen die Nicht-DB-Eisenbahnunternehmen angeschrieben und um Darstellung von deren weiterer Vorge-hensweise gebeten. Im Übrigen begrüßt die Landesregierung, dass die DB bis zum Abschluss der Gespräche mit den Drittbahnen, die bislang noch keine Vereinbarung mit DB eingegangen sind, si-cherstellt, dass mobilitätseingeschränkte Reisende auch weiterhin über die bekannten Kommunika-tionswege die Hilfestellungen für die gesamte Reisekette abrufen können.

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