Holzminden (red). Unter dem Motto „Tritt in die Pedale“ war der ehemalige Bundesumweltminister und jetzige außenpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion Jürgen Trittin in das vollbesetzte Foyer der Stadthalle Holzminden gekommen, wo er von großem Applaus begrüßt wurde. Trittin machte seine Wahlkampftour am Weserradweg und war mit dem Fahrrad über Würgassen und Boffzen nach Holzminden gekommen um den Bundestagskandidaten Helge Limburg und die Grünen im Kommunalwahlkampf zu unterstützen.
Beim geplanten Atommülllager in Würgassen kritisierte der ehemalige Bundesminister vor mehr als 100 Zuhörer*innen die „falsche Standortentscheidung“ des SPD-geführten Bundesumweltministeriums. „Wenn man schon meint, ein atomares Bereitstellungslager für die bundesweiten radioaktiven Abfälle zu brauchen, sollte man sich wenigstens an die eigenen Kriterien halten“, so Trittin. Die fehlende Zweigleisigkeit, die nahe Wohnbebauung und vor allem die fehlende Hochwasserfreiheit seien klare Ausschlusskriterien für diesen Standort an der niedersächsischen Landesgrenze. „Ministerpräsident Armin Laschet muss erklären, warum Windräder angeblich 1000 Meter Abstand zur Wohnbebauung brauchen, aber eine riesige Halle mit radioaktivem Müll 200 bis 300 Meter entfernt von Lauenförde gebaut werden darf!“ Und nach den Starkregenkatastrophen in Nordrhein-Westfalen könne niemand mehr verantworten in Flussauen zu bauen, erst recht keine atomaren Zwischenlager. Die Grünen würden sich daher im Bund eindeutig für ein neues Auswahlverfahren nach vorher festgelegten Kriterien stark machen. Der hiesige Bundestagskandidat Helge Limburg aus Holzminden versprach ebenfalls sich gegen den Standort Würgassen stark zu machen. „Wenn er lese, dass die Betreibergesellschaft bei Hochwasser die Atombehälter in der Halle festschrauben wolle, damit sie nicht weserabwärts nach Holzminden schwimmen, ist das eine fatale Einstellung gegenüber den Sorgen der Menschen in der Region.“
Beim Halt an der Strandpromenade in Boffzen erläuterte der hiesige Landtagsabgeordnete und langjährige Kämpfer gegen die Weserversalzung Christian Meyer die Situation. Immer noch leite der Konzern K+S zu viel Salz in die Weser ein, so dass die Fischvielfalt um mehr als 80 % abgenommen habe. Die Einleitgenehmigung wurde nur leicht von 2500 mg/l auf 2400 mg/l abgesenkt. Das ist das Zehnfache gegenüber einem Süsswasserfluss. Dabei haben die Bundesländer gegenüber der EU vereinbart, dass bis 2027 die Salzeinleitungen definitiv beendet werden und am Pegel Boffzen ein guter ökologischer Zustand gesichert sein muss. Jürgen Trittin bezeichnete das Verhalten des Kalikonzerns die Weser als Abwasserkanal für Salzabfälle zu benutzen als umweltpolitischen Skandal ersten Ranges und nicht vereinbar mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Gemeinsam mit den niedersächsischen Grünen forderte er das Regierungspräsidium Kassel auf, die Salzeinleitungen zu stoppen und den Grenzwert von 300 mg/l am neuen Pegel Boffzen einzuhalten.
Angekommen mit dem Fahrrad in Holzminden erklärte Jürgen Trittin in der bis zum letzten Platz besetzten Stadthalle seine Motivation noch einmal für die Grünen im Bundestagswahlkampf zu streiten. „Die Groko kann es einfach nicht. Das Versagen der Bundesregierung bei der Rettung der Ortshelfer der Bundeswehr und vieler Menschenrechtsaktivistinnen in Afghanistan sei nur ein Beispiel.“ Bereits im Juni hatten die Grünen eine unbürokratische Aufnahme und Rettung der Helfer*innen gefordert, aber die GROKO habe dies abgelehnt. Der Abzug der Bundeswehr sei lange geplant und beschlossen gewesen, da müsse man sich auch um die Rettung der vom Tode bedrohten Helfer der Bundeswehr kümmern. „Alles andere ist verantwortungslos“.
Christian Meyer erinnerte in seiner Grußrede daran, dass der Kreis Holzminden nicht nur ein Garnisonstandort ist, sondern sich zum Projekts Seebrücke erklärt hat. „Wir wollen und können Menschen in Not aufnehmen. Es ist beschämend für eine Bundesregierung, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil wir ihnen nicht helfen oder dass man Helfer der Bundeswehr in Afghanistan im Stich lässt.“
Jürgen Trittin führte dann anhand des Katastrophenmanagements von Armin Laschet und Olaf Scholz beim Hochwasserschutz, dem Bankenskandalen und des Klimaschutzes aus, dass beide die großen Gefahren des Klimawandels immer noch nicht ernst nehmen. „Die Klimaerwärmung ist Realität, Starkregenereignisse, Dürren und Waldsterben nehmen zu. Wenn wir jetzt nicht im Klimaschutz investieren, werden wir alle noch viel mehr bezahlen müssen“, warnte Trittin. Gerade Holzminden sei mit Unternehmen wie Stiebel Eltron und dem Handwerk ein Gewinner der Energiewende, nur brauchen wir da von der Bundesregierung mehr Impulse, um z.B. alle Gebäude auf Erneuerbare Wärme umzustellen.
Für den Kreisvorstand der Grünen lobte Christian Meyer das Engagement von Jürgen Trittin für den Klimaschutz und die Menschenrechte, sowie die große Fachkenntnis. Noch mehr freute er sich aber einen zweiten Bundestagskandidaten in Holzminden vorstellen zu dürfen. Helge Limburg sei ein guter Freund aus Grüne Jugend Zeiten, aufgewachsen in Holzminden, Schüler des Campe-Gymnasiums, Zivildienstleistender bei der Diakoniestation in Bevern und im Kreisvorstand Holzminden der Grünen aktiv gewesen. Unter den sechs Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien sei er der einzige aus dem Landkreis Holzminden.
Unter viel Applaus und mit einer engagierten Rede freute sich Helge Limburg darüber, dass er nun in seine politische und persönliche Heimat zurückkehren könne. Als er sich entschied für den Bundestag zu kandidieren, war von Anfang an klar, dass für ihn nur der Wahlkreis Hameln-Holzminden in Frage komme. Er betonte sich vor allem für Familien und Soziale Gerechtigkeit im Bundestag einsetzen zu wollen. „Gerade in Corona-Zeiten haben wir erlebt, dass Kinder und Jugendliche sowie einkommensschwache Menschen oft hinten runterfielen. Spielplätze wurden oft als letztes geöffnet. Wir brauchen endlich eine Kindergrundsicherung und Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro.“
Christian Meyer wies auch auf die Kommunalwahlen hin und lobte das hohe Engagement und klaren Positionen der beiden Bürgermeisterkandidaten der Grünen Alexander Titze für Holzminden und Dr. Heike Bertram für Bodenwerder-Polle. Der unselige Streit um Sensoria zeige, dass man das Geld nur einmal ausgeben kann. „Entweder für Schulen, Feuerwehr, Klimaschutz und gute Infrastruktur oder für ein immer teurer werdendes Millionengrab auf Steuerzahlerkosten. Wir Grüne stehen mit Alexander Titze und unserer Fraktion klar gegen dieses Fass ohne Boden. Die Bürgermeister- und Kommunalwahl in Holzminden ist auch eine Abstimmung über Für und Wider von Sensoria“, sagte Meyer.
Mit der parteilosen Dr. Heike Bertram aus Halle hätten die Grünen eine sehr gute Fachfrau für regionale Entwicklungsprozesse und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung für die Samtgemeinde Bodenwerder-Polle aufgestellt.
Jürgen Trittin lobte die Grünen als „blühende Kommunalpartei" und appellierte an die Zuhörer*innen bei beiden Wahlen auf Grün zu setzen, um den Herausforderungen der Klimakrise, der Menschenrechte und der Wirtschaftsentwicklung sozial gerecht zu begegnen. Vorstandssprecher Gerd Henke dankte dem vitalen Bundestagskandidaten Jürgen Trittin und Helge Limburg für ihre klaren Aussagen zu Würgassen, Weserversalzung und der Sozialen Gerechtigkeit.Der grüne Kreisverband setzt auf Zuwächse bei den Kommunalwahlen und darauf mit Helge Limburg zum ersten Mal seit den 80iger Jahren wieder einen Grünen aus dem Landkreis Holzminden im Bundestag zu haben.
Foto: Grüne