Noch im November 2020 war von SPD, CDU und unter weitreichender Beteiligung der FDP ein ähnlicher, nicht ganz so weit reichender Vorschlag ausgearbeitet worden: der „Schul-Kompromiss“. Er beinhaltete u.a. die ursprünglich „grüne“ Idee einer Gesamtschule und wurde am 14.12.2020 im Kreistag auch mit den Stimmen der UWG mehrheitlich beschlossen. Er vereinte also Positionen aller damals im KT vertretenen Fraktionen – wenn auch nicht alle ihm aus unterschiedlichen Gründen zugestimmt haben. Auch nach Anpassung an die Realitäten – die Förderschule war am Standort Eschershausen nicht klug umsetzbar – gab es noch im Juli 2021 einen mehrheitlichen Beschluss des Kreistags, diesen Schul-Kompromiss auch umzusetzen. Und das Herzstück dieses Kompromisses lautete: die IGS auf den Weg zu bringen, die Abfrage des Elterninteresses zu gestalten.
Aber dann kamen die Kommunalwahlen. Und so hatte man dann doch wieder nur die eigenen Kirchtürme im Blick und versuchte, auch mit wilden Versprechungen, jede Stimme für sich zu gewinnen. Das ist einerseits verständlich. Die Unterstützung des gemeinsamen „Schul-Kompromisses“ blieb dabei jedoch komplett auf der Strecke – jeder möchte die „Schulprobleme“ im Landkreis lösen, indem er seine Schule vor Ort erhält. Immer wieder ignorierend, dass jede der Schulen ein Teil des Schulsystems im Landkreis ist - und dass genau dieses in eine Schieflage geraten ist, die nur gemeinsam gelöst werden kann. Die Arbeit, die an den einzelnen Schulen geleistet wird, wurde dabei nie in Frage gestellt!
Die IGS-Abfrage kurz nach diesen Wahlen durchzuführen, war im Nachhinein betrachtet ein Fehler – der drängenden Zeit geschuldet, (vermeintlich) noch bis Ende des Jahres einen Antrag auf Genehmigung stellen zu müssen. Durch diese Konstellation war eine sachliche Information der befragten Grundschul-Eltern kaum machbar. Ja, sie wurde daher auch von einigen Lokalpolitikern torpediert - auch denjenigen, die auf Landes- und Bundesebene lautstark nach Gesamtschulen rufen. Der eigene Machterhalt auf Kreisebene war wichtiger als die Werte seiner Parteien zu verteidigen.
Trotzdem hatte die Abfrage zur IGS uns damaligen ElternvertreterInnen positiv überrascht: mit einer Beteiligung von ca. 30 Prozent und über 72 Interessensbekundungen war eine Genehmigung einer ersten IGS im LK Holzminden tatsächlich möglich geworden! Zumindest theoretisch. Und wenn man es gewollt hätte. Oder noch wollen würde. Ja, mit einem nur dreizügigen Start, aber auch dieser ist rechtlich ausdrücklich möglich. Das hatte sogar Kultusminister Tonne uns ElternvertreterInnen bestätigt. Er hat gleichzeitig aber auch betont, dass die Verantwortung, die Genehmigung zu beantragen bei den EntscheiderInnen hier vor Ort liege. Und daher kam es dann anders.
Noch berauscht von der neuen Macht und den neuen Möglichkeiten, hat die neue „Ampel“-Gruppe lieber wieder einen neuen, einen eigenen Vorschlag zur Schulstruktur im Landkreis gemacht. Diese Ideen werfen, wenn man sich inhaltlich näher damit beschäftigt, jedoch deutlich mehr Fragen auf als dass sie Antworten geben. Sie passen leider auch überhaupt nicht zu der Haushaltslage des Landkreises, wo jede Investition sachlich klug durchdacht und "in Hannover" begründet werden muss. Und grundsätzlich geht es dabei auch um unsere Gemeinschaftsgelder, unsere Steuergelder, die von unseren politischen VertreterInnen gut, gerecht und klug investiert werden sollten.
Leider scheint man bei den „Ampel“-Parteien keinerlei Interesse an einer guten Sachpolitik für den gesamten Landkreis zu haben. Eine Auseinandersetzung mit Zahlen, Daten und Fakten wird als nicht notwendig erachtet, ein sachlicher Austausch mit Kundigen verhindert.
Die Folge ist, dass das Abfrageergebnis zur IGS – das die rechtlichen Voraussetzungen für die Beantragung einer IGS gemäß Ausnahmeregelung bietet – von den Abgeordneten der „Ampel“ komplett aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Die rein zahlenmäßige Abfrage unter den Eltern von Kindern im Grundschulaltern wurde zur repräsentativen „Elternumfrage“ hochstilisiert. Ausgewählte Stellungnahmen wurden zitiert, andere unterschlagen, die absoluten Zahlen dazu uminterpretiert, das Ergebnis komplett verzerrt dargestellt. Ja, in der Samtgemeinde Eschershausen-Stadtoldendorf haben tatsächlich mehr Eltern „FÜR“ eine IGS gestimmt als „dagegen“! Korrekt formuliert müsste das heißen – „haben mehr der potentiellen Schüler-Eltern Interesse am Besuch einer IGS bekundet als kein Interesse“. Aber solche Details interessieren ja unsere lauten Ampel-PolitikerInnen nicht.
Lieber wird jedoch das „desaströse Ergebnis“ dieser „Umfrage“ als Begründung herangezogen, warum man nun doch lieber seinen eigenen Kurs fahren möchte. Ob der realisierbar ist (man sehe sich die Schülerzahlen an), ob der finanzierbar ist (die Haushaltslage ist den Kreistagpolitikern bekannt), ist völlig nachrangig. Hier geht es rein um Machtspiele! Denn es steht ja eine nächste Wahl an, die Landtagswahl im Oktober…
Vor dem Hintergrund betrachtet, keimt der Verdacht auf, dass – vorausschauend und vorranging nur die eigene Wiederwahl im Blick habend – hier vor Ort Landtags-Politik auf dem Rücken von uns KreiseinwohnerInnen ausgetragen wird. So ließe sich zumindest erklären, warum man gar nicht zu sachlich klugen Lösungen für den Landkreis kommen möchte. Wozu man sich mit dem politischen „Gegner“ einigen und dann auch den Erfolg teilen müsste – undenkbar?
Dieser Lösung wäre der Landkreis mit der Umsetzung des großen „Schul-Kompromisses“ deutlich näher gekommen – und könnte immer noch! Das Herzstück dieses parteiübergreifenden Kompromisses ist immer noch die Beantragung der Genehmigung der IGS! Gegenüber dem radikalen Vorschlag der Verwaltung wäre das, auch aus Elternsicht, immer noch das kleinere „Übel“. Wobei die vielen Vorteile, die die Schulform IGS hier für den Landkreis bringen würde, hier gar nicht aufgeführt werden sollen (siehe Leserbriefe, Stellungnahmen des Kreiselternrats bis Juli 2021).
Was Eltern hier im Landkreis dringend brauchen, ist Planungssicherheit! Wo können die Kinder jetzt angemeldet werden? Was passiert mit den SchülerInnen an den bestehenden Schulen? Wie sind die konkreten Perspektiven für die kommenden Jahre? Wir brauchen dringend realistische Einschätzungen und sachliche Informationen, auch zur IGS, die noch nicht tot ist. Luftschlösser helfen uns hier überhaupt nicht weiter, sie vertagen und verschärfen die Probleme nur immer weiter. Nach den Landtagswahlen könnte „plötzlich“ merken, dass der Landkreis vor einem Scherbenhaufen steht.
Bitte einigen Sie sich endlich auf eine kluge Lösung für den gesamten Landkreis und uns EinwohnerInnen! Setzten Sie sich für eine gute Schulpolitik ein! Verteilen Sie die Steuergelder so gerecht wie möglich, dass sie so vielen EinwohnerInnen wie möglich zugutekommen! Suchen Sie den Dialog mit Beteiligten und Betroffenen, machen Sie sich endlich sachkundig und treffen Sie dann fundierte, zukunftsfähige Entscheidungen!
Sonja Bergmann-Gross, Holzminden
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