Holzminden (red). Welche Herausforderungen stellen sich an Hochschulen, wenn es darum gehen soll, soziale Ungleichheiten abzubauen? Diese Frage wurde jetzt auf der Tagung „Soziale Ungleichheiten und Hochschule“ an der HAWK in Holzminden diskutiert.
Nach Eröffnung der Tagung und inhaltlicher Rahmung durch die Organisator*innen begrüßten der Präsident der HAWK, Dr. Marc Hudy, der AStA der HAWK und der Fachschaftsrat Soziale Arbeit Holzminden die Teilnehmenden und stimmten auf das gemeinsame Diskutieren und Nachdenken, aber auch die Arbeit an Lösungen zur Abfederung sozialer Ungleichheiten ein. Impulse für dieses gemeinsame Nachdenken boten Vorträge zu exemplarischen, wichtigen Bereichen sozialer Ungleichheit in Präsenz und im Livestream. Fokussiert wurden hier die Themen „Gender, Sexismus, sexualisierte Gewalt“ von Nicola Hille, „Queere Sichtbarkeit und geschlechtliche Vielfalt“ von Katharina Völsch, „Behinderungen und Barrieren im Hochschulkontext“ von Olezia Boga, „Warum wir alle von mehr Bildungsgerechtigkeit im Hochschulkontext profitieren würden“ von Dr. Ann-Kristin Kolwes und „Rassismus im Hochschulkontext. Strukturelle Herausforderungen & Handlungsräume“ von Karima Popal-Akhzarati.
Übereinstimmend stellten alle Referentinnen fest, dass zu diesen Themen Daten fehlen und viele Hochschulen sich eher scheuen, die Bereiche intensiver zu bearbeiten. Schon im Anschluss an diese Impulse ging es immer wieder darum, gemeinsam nicht nur zu analysieren, sondern auch Ideen zu entwickeln, soziale Ungleichheiten an der HAWK zu bearbeiten.
So wurde etwa deutlich, dass im Kontext der Pandemie und auch verschärft durch den russischen Krieg gegen die Ukraine, gerade Studierende mit geringem Einkommen durch weggefallene Nebenjobs und die steigenden Preise etwa für Gas und Strom besonders betroffen sind. Gerade Studierende, die aus Familien kommen, die sie finanziell nicht oder nur begrenzt unterstützen können, erleben so zusätzlich zum normalen Studienstress möglicherweise auch finanzielle Sorgen.
Auch die Frage, wie gut Hochschulen auf Studierende mit Beeinträchtigungen oder psychischen Erkrankungen eingestellt sind, wie struktureller Rassismus im Hochschulalltag sichtbar gemacht und bearbeitet werden kann und welche Schritte nötig sind, um hier noch besser zu werden, bewegte die Teilnehmenden. Insgesamt wurde für alle diskutierten Bereiche die Bedeutung von Sichtbarkeit herausgestellt. Eine Hochschule, die soziale Ungleichheiten nicht verdeckt, sondern offen thematisiert, so die Idee, kann auch die damit einhergehenden Ungerechtigkeiten besser thematisieren und bearbeiten.
In einem World-Café in Präsenz wurden die Erfahrungen der Teilnehmenden zu diesen Themen an drei Tischen bearbeitet und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung diskutiert.
- Behinderung durch Hochschulen: In diesem Kontext wurden Bemühungen gefordert, die Barrierefreiheit der Hochschule weiter zu verbessern. Hierzu sind zum Teil nur „kleine“ Maßnahmen notwendig, die dazu führen können, dass die Hochschule barrierefreier wird. Daran gearbeitet werden sollte auch, wie Prüfungen so gestaltet werden könnten, dass sie für alle gute Chancen bieten.
- Möglichkeiten und Herausforderungen der Thematisierung von Rassismus an Hochschulen: Hier wurden unter anderem gemeinsame Ideen für ein Weiterbildungsprogramm und eine Diskussionsveranstaltung gesammelt.
- Möglichkeiten und Grenzen studentischer Selbstverwaltung in Bezug auf Ungleichheiten an Hochschulen: Gerade nach der Zeit der Online-Lehre wurden hier verschiedene Ideen gesammelt, die Selbstverwaltung der Studierenden zu stärken. Unter anderem braucht es Austausch zu den Rechten der Studierenden in und außerhalb von Gremien. Auch die Wiederaufnahme von Vollversammlungen der Studierenden soll initiiert werden, um besser die Anliegen von Studierenden zu sammeln und in die Gremien einbringen zu können. Mit der Gründung von AGs könnten auch mehr Studierende in der Hochschule zu Wort kommen und soziale Ungleichheiten aus ihrer Sicht ansprechen und auf Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen und diese einfordern.
Seitens der Teilnehmenden wurde einem solidarischen Miteinander ein großer Wert zugesprochen. Betroffene und Bedarfe einzelner Differenzlinien dürften weder strukturell noch persönlich gegeneinander ausgespielt werden. Deutlich wurde insgesamt, dass in den verschiedenen Bereichen noch viel Raum für kreative Lösungskonzepte besteht, auch wenn die HAWK sich an verschiedenen Stellen bereits „auf den Weg gemacht hat“. Ein Teilnehmer resümierte: „An manchen Stellen muss man ein bisschen Unruhe stiften.“
Die Veranstaltung wurde durch gleichstellungspolitische Mittel der HAWK ermöglicht. Die Tagung wurde von Julia Besche, Julian Sehmer und Prof. Dr. Leonie Wagner in Kooperation mit einem Seminar an der HAWK und dem Fachschaftsrat Soziale Arbeit Holzminden geplant und umgesetzt. Als Studentische Hilfskraft engagierte sich Joss Spieker-Siebrecht in der Organisation der Tagung. Der Livestream wurde durch Barbara Hentschel und Birgit Wittenberg vom Team eLearning ermöglicht und begleitet.
Die entwickelten Ideen und Ansätze werden auch über die Tagung hinaus noch weiter ausgearbeitet und die Beiträge und Ergebnisse der Tagung werden im Frühjahr in einem Tagungsband veröffentlicht.
Foto: HAWK