Holzminden (haa). „Viele Menschen wissen gar nicht, was sich hier in unserer Region abgespielt hat“, betonte Merle Hoffmann, Referendarin für Deutsch und Geschichte am Campe Gymnasium Holzminden und richtete damit den Blick auf die Zwangsarbeiterlager am Fuße des Gebirgszuges Hils: Unter der Leitung von Hoffmann und der Geschichtslehrerin Jette Piper haben die Schüler und Schülerinnen der Klasse 10-1 ein Projekt entwickelt, welches das Zwangsarbeitslager in Lenne und das KZ-Außenlager Holzen (September 1944 bis April 1945), während des Nationalsozialismus in der Region thematisiert. Die Jugendlichen erlebten durch das Projekt und die Aufarbeitung verschiedener Themen eine Zeitreise in die Vergangenheit des Nationalsozialismus.
„Wir haben beschlossen, dieses Thema aufzugreifen, weil wir die Nähe zu unserer Region verdeutlichen und zeigen wollte, was damals nicht weit entfernt von uns passiert ist“, betonte Hoffmann. Eingeteilt in mehrere Gruppen, haben sich die Zehntklässler mit unterschiedlichen Themen, wie beispielsweise der Bedeutung und des Zwecks des Lenner Lagers, der Lage des Lagers, den unmenschlichen Lebensumständen und der Befreiung beschäftigt und anschauliche und informative Wandzeitungen und Fotokollagen erstellt, welche im Foyer der Schule ausgestellt wurden. Als Informationsmaterial standen den Schülern die Bücher des ehemaligen Lehrers des Gymnasiums und Heimatforschers Detlef Creydt zur Verfügung, die die Themen Zwangsarbeit in der Region behandeln. Die Bücher handeln unter anderem von Interviews damaliger Zwangsarbeiter des Lenner Lagers und Zeitzeugen, welche Creydt geführt, aufgeschrieben und in Büchern festgehalten hat. „Das geht nicht spurlos an einem vorbei – für viele Menschen war es befreiend, ihre Geschichte zu erzählen“, berichtete Creydt. Auch Tagebücher und Aufzeichnungen von Armand Roux, einem ehemaligen Gefangenen des KZ Holzen, standen den Schüler als Informationsmaterial zur Verfügung.
Zudem nahm die Klasse 10-1 an einer Exkursion in das frühere Zwangsarbeitslager in Lenne teil, welche von Jutta Henze geführt wurde. Henze gab den Schülern einen Einblick in die Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. In einer nachgebauten Baracke des ehemaligen Lenner Lagers, befindet sich die Dauerausstellung „Zwangsarbeit für die Rüstung im Nationalsozialismus“, in welcher Geschichten und Schicksale ehemaliger Zwangsarbeiter dokumentiert sind. Anhand dieser Informationen konnten sich die Schüler ein Bild von den Menschen, den Bedingungen und Lebensumständen machen.
Während ihrer Präsentation berichteten die Schüler und Schülerinnen von den Lebensumständen: Die Gefangenen lebten auf beengten Raum in Baracken. Sie litten unter schrecklichen Umständen, Unterernährung, niedrigen Temperaturen, wenig Schlaf und schlechter körperlicher Verfassung – trotz dessen mussten sie tagtäglich schwere, körperliche Arbeit verrichten. „Viele waren so schwach, dass sie aufgrund ihrer körperlichen Verfassung gestorben sind“, erklärte ein Schüler.
Des Weiteren berichteten die Zehntklässler, dass zahlreiche regionale Unternehmen an der Zwangsausbeutung beteiligt gewesen seien: „Die Zwangsarbeiter waren nur Mittel zum Zweck – viele Firmen und Menschen weisen heute die Schuld von sich“, sagte ein Schüler. Wehrten sich die Gefangenen oder begingen die kleinsten Vergehen, wurden ihnen Gewalt angetan bis hin zur Todesfolge.
In Lenne erinnert eine Gedenkstätte an das ehemalige Zwangsarbeiterlager. In Holzen gibt es einen Ehrenfriedhof, der an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert.
Fotos: Antonella Mollowitz