Holzminden (r). Zittau ist stark vom demographischen Wandel betroffen, die Bevölkerung nimmt stetig weiter ab; aktuell 26.500 Einwohner_innen. Die Industrie ist nach der Wende in weiten Teilen zusammengebrochen, spielt aber heute immer noch eine Rolle. Es besteht eine hohe Arbeitslosigkeit, die Kaufkraft der Bevölkerung ist gering. Zittau hat gute Bildungs- und Kultureinrichtungen (Standorte von Theater, Hochschule, Universität). Zittau liegt direkt an der Grenze zu Tschechien; es bestehen aber praktisch keine Verbindungen.
Die Stadt Zittau wurde im Krieg kaum zerstört. Die Zerstörung der Bausubstanz geschah erst durch den Sanierungsmangel in der DDR. Der Marktplatz wurde aufwändig saniert, erscheint heute sehr groß und leer. Hoher Leerstand und Sanierungsstau besteht in allen anderen Bereichen der Altstadt.
Das Projekt FreiRaum Zittau e.V. geht auf das Modell des Wächterhauses, entstanden in den 1990er Jahren in Leipzig, zurück. Es geht darum, für ein Gebäude die Zeit zu überbrücken, bis ein Investor gefunden ist. Herr Traichel sprach von einer legalen Besetzung bzw. Adoption des Gebäudes.
Die Abwicklung des Projekts läuft über Haushalten e.V. in Leipzig. Dieser Verein hat einen Gestattungsvertrag geschlossen. Dieser regelt die Nutzung des Hauses mit dem Eigentümer und die Nutzung der Räume mit dem Verein FreiRaum bzw. einzelnen Nutzer_innen. Gestattungsverträge werden üblicherweise über 6 Jahre geschlossen in Zittau über 10 Jahre. Eine Vertragsauflösung ist bei Erstattung der investierten Mittel möglich.
Der Eigentümer übernimmt die Grundsteuer sowie die größeren Anfangsinvestitionen (Abdichtung des Dachs etc.); der Verein übernimmt die laufenden, kleineren Reparaturen. Der Verein (Gründung 2011) verfolgt drei Ziele: Erhaltung des wertvollen Gebäudes/Denkmalschutz, Verschönerung des Stadtbildes und Bereitstellung von Räumen für kreative Nutzungen. Wohnen im Gebäude ist nicht Ziel, ist aber auch nicht ausgeschlossen. Es sollen unbürokratisch Möglichkeitsräume geschaffen und das Miteinander gefördert werden.
Das Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert, hat 750 qm Grundfläche über 3 Etagen, hat 30 Räume, von denen nur sehr wenige beheizt werden können. Zuletzt wurde das Gebäude als Kaufhaus genutzt bevor es 20 Jahre leer stand. Es war sehr stark sanierungsbedürftig (in Teilen eingestürztes Dach).
Über die Stadtentwicklungsgesellschaft wurde Kontakt zum Eigentümer des Gebäudes hergestellt. Der Verein wird durch die Stadt durch hohe Kompromissbereitschaft unterstützt; selbstverständlich müssen aber alle gesetzlichen Regelungen eingehalten werden. Wichtig ist die Unterstützung durch den seit 2015 amtierenden jungen Bürgermeister. Es besteht viel Vertrauen von städtischer Seite und ein gutes Verhältnis zu Behörden allgemein.
Aktuell werden Veranstaltungen (soziale/Integrationsangebote, Konzerte etc.) durchgeführt und es gibt einen multifunktionalen Werkraum, der eine Eigendynamik entwickelt hat. Dort gibt es Workshops, gemeinsame Projekte, Reparaturmöglichkeiten und -unterstützung; er wird aber auch von StartUps genutzt.
Der Verein hat 40 Mitglieder mit breiter Altersspanne. Es gibt 14 regionale Partner_innen aus Wirtschaft, Politik, Hochschule unterstützen den Verein Bisher wurden weit über 5.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden geleistet.
Tipps für Holzminden und Höxter:
- einfach anfangen und durch die Aktivitäten andere anstecken.
- offen sein. Die Geschichte des Hauses und des Projekts erzählen.
Am nächsten Mittwoch, 10.10. wird um 18 Uhr in der HAWK der Vortrag von Rolf Novy-Huy über das Immobilien- und Bodenentwicklungsmodell der Trias-Stiftung folgen. Die Trias-Stiftung unterstützt Projekte mit Informationen aber vor allem, indem sie Grundstücke ankauft und in Erbpacht vergibt. Dadurch können Kosten vor allem in der Anfangszeit der Projekte reduziert werden. "Wir denken, das kann sowohl für die Entwicklung gemeinschaftlicher Wohnprojekte, für eine Immobiliengesellschaft und andere mehr wertvolle Inspiration liefern."
Foto: Symbolbild