Paderborn (red). Der Traum vom Fliegen begleitet Manuel Finger ein Leben lang. Schon als Kind wollte der gebürtige Paderborner Pilot werden. Als erwachsener Mann steuerte er dann im Cockpit große Airbus-Maschinen in Europa und Asien. Zurzeit sattelt er um und wird als Quereinsteiger Triebfahrzeugführer bei der NordWestBahn. Es geht vom Cockpit in den Führerstand. Damit kommt er seinen Kindheitsträumen wieder ein Stück näher, „denn mein Zweitwunsch war immer, Schrankenwärter zu sein.“
Mehr noch als die Erfüllung seiner Kindheitsträume geht es dem 37-Jährigen vor allem um seine langfristige berufliche Existenz. „Erst die Insolvenz von Germania im Februar 2019 und dann Corona und der Lockdown. Jetzt möchte ich einen Beruf mit Perspektive und Sicherheit“, sagt Manuel Finger.
Nach der Mittleren Reife hat Manuel Finger zunächst eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Fluggerätmechaniker bei der Lufthansa-Technik in Hamburg absolviert und anschließend noch knapp zwei Jahre in dem Beruf gearbeitet. 2009 begann er in Paderborn an der Verkehrsfliegerschule die Pilotenausbildung. 80.000 Euro hat die Ausbildung damals gekostet. Doch erst nach weiteren fünf Jahren gab es den ersten Job im Cockpit. In der Zwischenzeit hat er gejobbt - im Garten- und Landschaftsbau und im Lager eines Computergroßhandels. „Dann habe ich Ende 2016 nochmal 20.000 Euro ins sogenannte Typ-Rating investiert. Diese mehrwöchige Zusatzausbildung, war meine Eintrittskarte ins Cockpit der A320-Familie von Airbus und damit für eine Festanstellung bei Germania.“
Vom Heimatflughafen Münster-Osnabrück (FMO) brachte er 150 bis 220 Passagiere pro Flug zu den beliebten touristischen Zielen Europas: Mallorca und die Kanaren, spanisches Festland, Portugal, Ägypten, Türkei, Bulgarien und die griechischen Inseln. Doch das Glück des Kindheitstraums währte nicht lang, nach zweieinhalb Jahren meldete die Airline Insolvenz an.
Das war ein Schock, die Nachricht kam plötzlich. Morgens wäre ich eigentlich noch nach Gran Canaria geflogen.“ Entmutigen ließ sich Manuel Finger aber nicht, schon nach ein paar Monaten trat er eine Pilotenstelle in Vietnam an. Aufbruch in eine ganz andere Welt, erst alleine und wieder ein paar Monate später holte er seine Ehefrau mit Baby zu sich. Das hatte sich die junge Familie anders vorgestellt. Wiedervereint war das Berufsleben mit vier Flügen täglich anstrengend, das Familienleben aber sehr schön, nicht zuletzt, „weil meine Ehefrau Vietnamesin ist.“
Im Frühjahr 2020 dann das abrupte Ende: Corona. In Vietnam gab es zur Bekämpfung der Pandemie einen zweimonatigen Shutdown. „Wir wurden von einem auf den anderen Tag in unbezahlten Urlaub geschickt.“ Die junge Familie steckte in Vietnam fest. Erst im September ging es mit Mühe und Not zurück. Wieder in Deutschland brauchte Manuel Finger einen neuen Job. Hoffnung, wieder als Pilot in der nicht nur durch die Coronapandemie krisengebeutelten Luftfahrt anfangen zu können, gab es nicht. „Ich wollte einen krisensicheren Job.“
„Es ging alles ganz schnell. Auf der Internetseite der NordWestBahn habe ich die Stellenanzeige gefunden: Bewerbung geschrieben, Vorstellungsgespräch, Eignungsprüfungen. Seit Februar bin ich Quereinsteiger. Mit dem Gedanken, auf die Schiene zu wechseln, spielen übrigens mehrere meiner ehemaligen Kolleginnen und Kollegen.“
Spätestens Ende des Jahres wird Manuel Finger wieder Passagiere befördern. Dann allerdings auf der Schiene und nicht in der Luft. Parallelen gibt es aber sehr wohl: „Beides bedeutet eine große Verantwortung“, ist sich Manuel Finger bewusst. Es sind riesige Fahrzeuge, und ich befördere damit Hunderte Passagiere.“ Auch der Schichtdienst und die Arbeitszeiten sind vergleichbar, das kennt Manuel Finger von der Fliegerei und sieht für sich Vorteile: „Ich finde es gut, auch mal am Wochenende zu arbeiten und dafür dann in der Woche einen Tag freizuhaben.“
Bleiben zwei wesentliche Unterschiede: Geschwindigkeit und Ausblick. Mit durchschnittlich 850 Kilometern in der Stunde genoss Manuel Finger den Sonnenschein über den Wolken. Demnächst geht es mit Tempo 120 durch die Region OstwestfalenLippe, da kann es auch mal regnen und die Witterung grau sein. Tristesse? Nicht wirklich, es gibt Abwechslung. Die Landschaft verändert sich mit den Jahreszeiten, es werden Städte und Dörfer angefahren und es gibt den Kontakt zu den Fahrgästen.
Die Mobilität und das Bedienen eines großen Fahrzeugs bleiben. Viele gute Gründe, warum sich Manuel Finger entschieden hat, Triebfahrzeugführer bei der NordWestBahn zu werden – in Summe: „Ich habe einen Arbeitgeber gesucht, auf den ich mich verlassen kann, der mir eine sichere Beschäftigung gibt, wohnortnah, mit zuverlässigem Gehalt.“
Foto:NordWestBahn