Erneut fand am Montag vor dem Rathaus in Holzminden eine Veranstaltung statt, die von Menschen besucht wurde, die den Eindruck erweckten, dass Gesetze in diesem Land nur andere betreffen, sie selbst aber das Recht hätten, sich über gesetzliche Regelungen hinweg zu setzen. Und erneut sah die Polizei dabei zu und machte durch ihr Verhalten deutlich, dass sie wenig gewillt ist, den Rechtsstaat gegen diese andauernden Angriffe zu schützen.
Über den Telegram-Kanal der „Freien Niedersachsen“, einer Sammlungsbewegung, die sich nach Art der „Freien Sachsen“ firmiert hat, wird landesweit zu diesen bewusst illegal gehaltenen Demonstrationen aufgerufen. Die „Freien Sachsen“, die Mutterorganisation nach der sich diese Gruppe benannt hat, gilt als rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich und hat sich zur Aufgabe gemacht, die Demokratie verächtlich zu machen, um sie systematisch zu schwächen. Der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes Dirk-Martin Christian sagt zu den „Freien Sachsen“: „Die „Freien Sachsen bieten insoweit eine überregionale Vernetzungsplatform für Rechtsextremisten aus der gesamten Bundesrepublik“. Seit einigen Wochen breiten sie sich nun auch in Niedersachsen aus, wo der niedersächsische Ableger von Hannover aus diese - auch bei uns vor dem Rathaus stattfindenden- illegalen Aufmärsche koordiniert.
Spricht man die Teilnehmenden an, so kommt keine Antwort auf die Frage, warum sie an illegalen Veranstaltungen teilnehmen, sondern es wird Kritik geäußert an der „Impfdiktatur“ oder an der „Diktatur“ an sich. Ja, glauben die Teilnehmenden denn wirklich, in einer Diktatur könnte man ohne jede Konsequenz Woche für Woche mit illegalen Versammlungen Rathaustreppen besetzen? Glauben die Teilnehmenden wirklich, es bei der Bundesrepublik mit einer „Diktatur“ zu tun zu haben?
Ich bin mir sicher, dass dem nicht so ist. Dass die meisten der Teilnehmenden einfach überfordert sind mit der Pandemie, die uns nun seit 2 Jahren im Zangengriff hält.
Persönliche Überforderung gibt aber niemandem das Recht, sich unsolidarisch über allgemein und demokratisch verfasste Rechtsnormen hinweg zu setzen. Vielmehr würde die Überforderung so vieler Menschen abnehmen, wenn sich mehr Menschen an Regeln hielten und dadurch dieses Virus in den Griff zu bekommen wäre. Das Pflegepersonal in den Kliniken würde es uns danken, wenn wir ihm endlich zu etwas Entlastung verhelfen würden. Deren Überforderung wird durch diese Demonstrationen ohne Maske und ohne Abstand billigend in Kauf genommen.
Darum: Wenn Sie Ihre Wut äußern wollen, wenn Sie demonstrieren wollen, dann tun Sie es! Aber tun Sie es so, wie es unsere Gesetze vorschreiben. Melden Sie die Demonstration an und halten Sie sich an die Vorgaben, die das Ordnungsamt Ihnen macht. Nur dann werden Sie glaubwürdig in Ihrem Anliegen. Nur dann können Sie sich von dem Ruch befreien, es ginge Ihnen gar nicht um Kritik an den Coronamaßnahmen, sondern zusammen mit den rechtsextremen „Freien Niedersachsen“ darum, diese Demokratie zu schwächen. Wenn Sie Änderungen in der Corona- Politik erreichen wollen, verlassen Sie nicht den demokratischen Dialog, sondern werden Sie Teil von ihm.
Indem Sie, trotz des Wissens um die Koordinationsform durch diesen rechtsextremen Ableger der „Freien Sachsen“, wenn Sie trotz des Wissens um das Versammlungsgesetz, das auch mit großer Interpretationsfreiheit nicht dazu führt, dass eine wöchentlich zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort statt findende Veranstaltung als „spontan“ gewertet werden kann, - wenn Sie trotz all dieses Wissens an illegalen Veranstaltungen teilnehmen, dann haben Sie sich aus dem demokratischen Dialog entfernt. Dann rückt Ihr antidemokratisches Verhalten Ihr demokratisch legitimes Anliegen um die Coronapolitik in den Hintergrund. Und schließlich und endlich machen Sie sich zum Handlanger von Leuten, für die Ihre Sorge um Ihre Gesundheit und persönliche Freiheit nur ein billiges Mittel zum Zweck ist, diese Demokratie und damit unser aller Freiheit aus den Angeln zu heben. Für solche Machenschaften sollten Sie sich zu schade sein.
Sabine Golczyk
Mitglied in Stadtrat und Kreistag
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